Bahnhofscharme
Bahnhofscharme

Tavira - Impressionen einer alten Stadt am Meer

Diesen Photoband habe ich 1999 im Selbstverlag herausgegeben. Er ist inzwischen nahezu vergriffen. Restexemplare können gegen 5 Euro (incl. Porto) nur noch hier direkt bestellt werden.

 

Dieses Werk integriert über 80 künstlerisch gestaltete, sensible Aufnahmen von Henning Hammond-Norden und Texte von Volker Gold, welche die Bilder unterfüttern und zu einem tieferen Verständnis der Stadt und ihrer Menschen verhelfen. Insgesamt wird dem Leser eine sympathische Identifikation mit Tavira als einer einmaligen, alten Stadtschönheit und ihren Menschen auf dem Hintergrund ihrer algarvischen Kultur und Geschichte ermöglicht.

 

Was ist das für eine Schönheit, die Tavira den anderen Städtchen des Ost-Algarve voraus hat und sie so eigentümlich anziehend macht? Sie ist sicherlich keine junge, taufrische Schönheit unter den Städten; an Tavira sprechen unser Gemüt eher Zeichen des Verblühens, des Ausbleichens oder gar schon des Verfalls an. Sie entwickelt dabei einen späten Charme, der uns Zeitgenossen fasziniert, bezaubert, fesselt oder – auf gut portugiesische Art - mit unbeschreiblicher saudade erfüllt.

 

Die Idee zu diesem Buch entstand bei der erfolglosen Suche nach einem profunden Werk über die Stadt. Wohl wird in jedem der zahlreichen Algarve-Bücher auf das „sehenswerte Tavira“ hingewiesen, auch wird schon mal das eigentlich irreführende Attribut „Venedig des Algarve“ verliehen, doch sind solche Beschreibungen zu dürftig oder schief.

 

Henning Hammond-Norden und Volker sehen und beschreiben etwas, zeichnen nach und heben hervor, was in besonderer Art und Weise zu sehen und zu beschreiben wert ist. Der vertiefende Blick in ihr gemeinsam verfaßtes Buch kann jeden Betrachter und Leser eindrucksvoll davon überzeugen: Tavira, einst recht mächtig, heute nur noch prächtig, war diese Liebe und Sorgfalt wert. Tavira ist mehr als Mauren und Meer ...

 

Lassen wir uns von Tavira anrühren, und werden wir uns so bewusster, was wir jetzt hier und andern Orts erhalten wollen und können! Nachdem es eine schöne heile Welt nie gab und auch nie geben wird, wird uns der gut geschulte Blick für Bewahrenswertes auch bei den unvermeidlichen Neugestaltungen der Zukunft leiten.

 

Gliederung

 

Autorenportraits

Grußwort

Zur Einführung

Tavira und sein Umland

Landwirtschaftliche Produkte

Burg, Stadtmauern und Brücke

Das Stadthaus in Tavira

Pavillon

Jugendstilhaus

Eine Schönheit im Verfall

Verschlossen wirkende Tore

Wäsche an der Leine

Zweiräder

Kleine Baustilkunde

Kirchen, Kapellen und Konvente

Kirchenfenster mit Kerzen

Fischerei in Tavira

"Flor do Algarve"

Salz aus dem Meer

Märkte

Handwerk

Portraits

Bahnfahrt nach Tavira

Gastronomie und Müßiggang

Wer war wer in Tavira?

Friedhöfe

Identitätsbildende Legenden

Aus dem 3000-jährigen Leben Taviras

Erläuterungen zu den Bildern

 

 

 

Kirchencharme
Kirchencharme

Und hier noch ein paar Leseproben aus TAVIRA:

 

Der Stadtkern: Burg, Stadtmauern und Brücke (Auszug)

Der Volksmund in Tavira spricht beharrlich von der "römischen Brücke". Historiker können dies jedoch weder durch Sondierungen bestätigen noch überzeugend wiederlegen. Der Standort der römischen Brücke, die es einmal gegeben haben muß, um Faro und Mértola/Beja unter Umgehung des unwegsamen algarvischen Berglandes zu verbinden, kann nicht mehr bestimmt werden. Was wir heute sehen ist das Ergebnis gewaltiger Bauleistungen zu einer Neukonstruktion in der Mitte des 17. Jahrhunderts, nachdem der Brücke zuvor zwei Pfeiler unterspült worden waren und sich ein tiefer Gumpen dazwischen gebildet hatte. Zwischen 1655 und 1657 wurde das Werk unter der Leitung eines portugiesischen Architekten und eines französischen Ingenieurs vollendet.

Es hielt lange Stand - bis zur Nacht des 3. Dezembers 1989, als nach ununterbrochenen, schweren Regenfällen der Rio Séqua über die Ufer trat, mitgeführte Gegenstände sich an der Brücke verfingen und sie teilweise zusammenbrechen ließen, so daß sie auch für Fußgänger unpassierbar wurde. Fünf Tage lang waren die Bürger der Stadt voneinander getrennt, bis eine Militäreinheit eine Pontonbrücke und die JAE eine Behelfsbrücke vom Jardim Público zum anderen Ufer angelegt hatten, welche bis zum heutigen Tag blieb. Erst Ende 1992 konnte die Rekonstruktion der beliebten Brücke abgeschlossen werden, deren Bedeutung für die Stadt durch die Naturkatastrophe um so klarer ins Bewußtsein ihrer Bürger und Besucher trat.

 

 

Landwirtschaftliche Produkte

Just in der touristischen Hauptsaison, im Monat August, ist Erntezeit auf dem algarvischen Land. Feigen, Mandeln und Johannisbrot-Schoten, auch Affenbrot genannt, müssen gepflückt, heruntergeschlagen bzw. aufgelesen werden, ehe man sie trocknet, schält, aufschlägt bzw. in Säcken packt und zu Sammelstellen gibt. Oliven sind erst später, Anfang November, dran.

Nur wer selbst bei der Ernte in dieser heißen Zeit mitgeholfen hat, kann das Süße und Bittere dieses Tuns begreifen. Fast möchte man Touristen diese harte sinnliche Erfahrung wünschen, damit sie auch den agrarisch geprägten Menschenschlag erfassen können, der sich hier noch unverdrossen sorgt und plagt und die oft kargen Erträge von weit oben in der Serra an kleinen Ständen auf den Märkten anbietet. Die junge algarvische Generation will von dieser alten Lebensart natürlich nichts mehr wissen ...

Die unvergleichlichen Früchte des Algarve, alter Reichtum und exotischer Reiz, finden keine adäquaten Märkte mehr . Ökonomischer Ersatz, der auch die algarvische Identität zu bewahren vermag, ist nicht in Sicht. Heute werden Mandeln, welche Schande, überwiegend aus Spanien und Kalifornien nach Portugal, ins "Land der Mandelblüte", importiert. Es kommt auch vor, daß spanische Händler die köstlich-süßen Saftorangen aus der Gegend zwischen Olhão und Tavira lastwagenweise aufkaufen, um sie in Sevilla als ihre weltberühmte Spezialität gut zu verkaufen.

 

 

"Flor do Algarve"

Wenn wir dieses Fischerboot an den Docks von Santa Luzia befragen könnten, wo es herkommt, was es jetzt macht und wie es weitergeht, würde es uns erzählen: "Ich bin ein ganz typisches algarvisches Fischerboot mit fünf Tonnen Wasserverdrängung und habe inzwischen 60 Jahre auf dem Buckel. Mein Kapitän fuhr mit seiner vierköpfigen Besatzung täglich, außer sonntags, ungefähr sechs bis sieben Stunden küstennah auf Polvo-Fang aus. Das geht so, daß sie bis zu tausend Körbe in ungefähr hundert Meter Tiefe auslegten, und warteten, bis diese vielarmigen Weichtiere, die ihr Kraken nennt, Schutz und Hinterhalt zugleich suchten, um sie dann wieder hoch zu holen. Genommen und verkauft werden durften nur Tiere mit mehr als 700 Gramm Gewicht. In letzter Zeit war die Fangausbeute aber nicht mehr gut, so daß mein Kapitän und die anderen Männer nach Abzug der Kosten fast nichts mehr verdienten. Es ist gut, daß ihr vorbeigekommen seid und mich nochmals fotografiert habt, denn Sr. Jorge Timotio, mein Kapitän, läßt mich abwracken und kauft sich ein neues Boot für seinen Lebensunterhalt. Ich hätte gerne noch etwas länger gedient, aber aussuchen kann ich es mir nun mal nicht. Wirtschaftlichkeit ist heute auch hier angesagt bei dem starken Verdrängungswettbewerb zwischen spanischen, portugiesischen und marokkanischen Fischern. Aber nun seid mal nicht traurig, das Leben muß weitergehen ... Então, adeuzinho turistas!"

 

 

Identitätsbildende Legenden

In der Kirche Santa Maria do Castelo, an den Seitenwänden des Hauptaltares, befinden sich links und rechts je ein Gedenkstein. Die sterblichen Überreste des angeblich hühnenhaften Sankt-Jakobs-Ritters D. Paio Peres Correia, Meister dieses Militärordens, der mit seinen Truppen die Stadt den Mauren 1242 abnahm und 1275 verstarb, seien 1751 hinter der Grabplatte links eingelassen. Möglich ist aber auch, daß die Gebeine des Helden in einem spanischen Kloster ruhen. Er soll verfügt haben, daß sechs seiner Gefolgsleute, die von den maurischen Gegnern angeblich hinterrücks ermordet worden waren, hier gleichsam als Märtyrer ihre letzte Ruhestätte finden sollten. Rechts vom Hochaltar erinnern sieben(!) Kreuze des Jakobsordens an diesen Vorfall, der sich im historischen Nebel verliert. Immerhin verrät uns "eine alte Chronik" die Namen der Gemeuchelten. Die Ritter wurden angeführt von D. Pedro Paez und werden des weiteren mit Mem do Valle, Damião Vaz, Estevão Vasques, Valerio de Ossa und Alvaro Garcia namentlich wiedergegeben. Zu diesen kam der Kaufmann Garcia Rodrigues aus Faro, der mit erschlagen wurde, als er des Weges kam und sich zu den christlichen Rittern stellte.

Daß es sich dabei um einen Juden handelte, wirft nach Meinung des Historikers José Hermano Saraiva ein bezeichnendes Licht auf die kulturellen und wirtschaftlichen Verhältnisse des damaligen Tavira. Christliche Eroberer, die die maurischen Einwohner vertrieben oder deklassiert hatten, und jüdische Kaufleute, die schon unter den Mauren angesehen waren und in der eroberten Stadt blieben, arbeiteten zusammen und arrangierten sich reibungslos.

...

Diese Einzelheiten aus dem Gründungsmythos erscheinen bedeutsamer als die Beschuldigung des boshaften Verrats, den die Mauren in einer Phase des Waffenstillstands an den friedlichen "Jägern" angeblich begangen hätten. Mußten die Mauren nicht selbst Verrat wittern, wenn ein Fähnlein der tüchtigsten Ritter D. Paios - zu Pferd und (zur Jagd) bewaffnet - sich in Sichtweite der Stadtmauern Taviras herumtrieben? Die Verratsversion sollte wohl auch die Eroberer in Rage bringen und der Rechtfertigung dienen, die Stadt ungeachtet ihrer hohen islamischen Kultur in Schutt und Asche zu legen und die Zivilbevölkerung, die nicht fliehen konnten, niederzumachen. Der Hauptzweck der Legende war aber wohl, beim kastilisch-portugiesischen Streit um den neueroberten Algarve, den Anspruch der Portugiesen abzusichern. - Ab 1266 ließ D. Afonso III. vieles wieder aufbauen und die Moschee durch eine Kirche überbauen, an deren Stelle heute Santa Maria do Castelo steht.

...

Aus unserem Tavira wird berichtet, daß der maurische Herrscher Ibn-Fabila seine Tochter, sein kostbarstes Gut und seine Augenweide, vor dem Zugriff der groben Kerle D. Paios dadurch in Sicherheit gebracht habe, daß er sie schweren Herzens in einem Brunnen (Poço de Vaz Varela) für über 1000 Jahre verzauberte. Nach einer anderen Version spukt diese oder eine andere(?) Prinzessin immer mitternachts vor Johannis (24. Juni) auf dem Mauerkranz der Burg herum, auf der Suche nach der Liebe eines Ritters, der sie aus der Verzauberung erlösen könnte. Es ist nicht klar, ob dies auch von einem liebenden Touristen bewerkstelligt werden könnte ... Eine Romanze von Estácio da Veiga, dem jüngst durch die Aufstellung einer Büste geehrten Schriftsteller und Archäologen, endet so: "Por fim ganha um bom castelo / Mas ... sem moura para amar." (Gute Mauern sind uns geblieben, doch ohne die Maurin, um sie zu lieben.- Ü.d.Verf.)

Buchpräsentation mit dem Presidénte da Câmara Municipal José Macário Correia - Bürgermeistercharme
Buchpräsentation mit dem Presidénte da Câmara Municipal José Macário Correia - Bürgermeistercharme