Die Verteidigung Vila Visosas

Zu Beginn des Jahres 1665 beklagte sich Schonberg noch, dass seine portugiesischen Kollegen wenig aktive Einstellung zeigten und davon ausgehen wollten, dass die Spanier in diesem Jahr keine ernsthafte Offensive zustande brächten. Doch bekam Castelo Melhor bald schon Kunde von einem geradezu grandiosen spanischen Aufzugsplan, was ihn bewog, ebenfalls nochmals aufzurüsten und umzuorganisieren: Er versuchte, die entzweiten obersten Generäle einander näher zu bringen, mit dem Ergebnis, dass Gil Vaz Lôbo Gouverneur von Setúbal wurde und Schonberg Generalstabschef im Alentejo blieb, jedoch unter dem Militärgouvernement von Marialva.[1] Garnisonen, Festungsanlagen und Seehäfen in und um Lisboa wurden verstärkt und neue ausländische Truppen (aus Frankreich und Irland) angeworben, um gegen die erfahrenen deutschen und schweizerischen Landsknechte der Spanier bestehen zu können. Die Truppen im Alentejo wurden zu Lasten der anderen Provinzen vorübergehend so weit aufgefüllt, dass sie den spanischen numerisch annähernd gleich kamen. Insgesamt standen auf portugiesischer Seite im Mai, die Hilfskräfte noch nicht mitgerechnet, 15.000 Infanteristen und 5.500 Kavalleristen und 20 Geschütze bereit – ein gewaltiger und äußerst kostspieliger Aufwand.

 

In Spanien war man durchaus schon etwas entmutigt, solches Rüsten von der Gegenseite zu vernehmen, doch gab es immer noch einflussreiche Günstlinge und Räte beim König, die alles nochmals auf eine Karte setzen wollten, auch wenn außer dem Mut auch die Mittel schon abgenommen hatten. Wenn nochmals eine Offensive, dann eine Großoffensive zu Land und zu Wasser – nicht Kleckern, sondern Klotzen war angesagt. Generalstrategie war, gleichzeitig mit dem Heer in den Alentejo und via Flotte nach Lisboa/Setúbal einzudringen: Das Erfolgsrezept des Herzogs von Alba aus dem letzten Jahrhundert. Ermöglicht war dieser Generalplan dadurch, dass die spanischen Habsburger mit den Türken einen Geheimfrieden geschlossen hatten und von Ungarn Truppen und Söldner abziehen konnten. Weitere Söldner wurden insbesondere in der Schweiz angeworben, über deren übles Schicksal noch zu berichten sein wird.  

 

Dem Spanischen Heer stand diesmal der Marquês de Caracena e Fromista[2] vor, der einzige noch nicht „verbrannte“ spanische General. Man nannte ihn auch „Spanischer Mars“, vielleicht auch deshalb, weil er es einmal schaffte, bei Valencienne in Flandern[3] französische Truppen unter Turenne zu besiegen. Auch in Italien war er siegreich und vor seiner Rückkehr nach Spanien Gouverneur von Milano. Zum wieder mal imponierenden Heer, das sich bei Badajoz versammelte, stieß Caracena am 1. Mai hinzu, also schon recht spät. Es umfasste im Wesentlichen 15.000 Soldaten zu Fuß, 7.600 zu Pferde, 14 Stücke und 2 Wurfmaschinen/Mörser. Am beeindruckendsten war jedoch die ganze Logistik mit hunderten von Wagen mit Ochsen und Maultieren. Eigentlich wollte Caracena einige Fehler seiner Vorgänger nicht mehr machen. Er wollte sich nicht mit Belagerungen und Raubzügen verzetteln und nach Möglichkeit die Hundstage vermeiden. Doch hatte er sich noch genügend Getreide aus Sizilien und Nordafrika anliefern lassen müssen und lagerte nun drei Wegstunden nördlich von Badajoz bei Bótoa[4], wo es genügend Wasser, Brennholz und Grünfutter gab, um noch weitere wichtige Ausrüstungen abzuwarten. Er hatte Lisboa zum Ziel und wollte sich auch an der starken Grenzfeste Elvas nicht verbeißen. Die schnelle Einnahme von Vila Viçosa und die Zerstörung des Herzogspalastes unterwegs sollte genügen, einmal als symbolischer Akt gegen die neue Dynastie, die von dort ausging, aber auch ganz praktisch, um von dort Verbindungen nach Spanien aufrechterhalten zu können. Und dann hatte er sich ja auch mit dem Duque de Aveiro, einem hispanisierten Portugiesen, in Cadiz zeitlich abgestimmt, 8.000 Soldaten auf 30 Schiffen und 20 Galeeren herbeizuführen. Wenn alles gut lief, sollten sie gleichzeitig in Lisboa ankommen. Es lief aber nicht alles gut, denn die benötigten Schiffe waren von Indien abgezogen worden und kamen wegen widriger Umstände letztlich zu spät an.[5]Das Abwarten angesichts solcher Ungewissheiten führte am Ende zu enormen Verzögerungen.

 

Schließlich musste sich der spanische Heerführer doch zum Abmarsch entscheiden, um überhaupt noch etwas erreichen zu können. Durch eine Finte wollte er glauben machen, dass er sich Richtung Portalegre bewegen wird, um etwa das besetzte Valencia de Alcântara zu entsetzen. Am 06. Juni kampierte er am Fluss Caia, von wo er sowohl Estrémoz als auch Vila Viçosa hätte angreifen können. So verhielt er sich zwei Tage lang noch vagierend und ließ den Gegner im Unklaren. Am 08. Juni zog er schon früh los, um bei Atalaia dos Sapateiros an einen bekannten Brunnen zu gelangen (Chafariz d’El-Rei), doch war dieser zuvor von einem portugiesischen Spähtrupp unter General João da Silva mit seinen 500 Reitern unbrauchbar gemacht worden. So musste er die Tagesstrecke verlängern und kam bis Vendas de Alcaraviça (Ourada). Die spanische Vorhut nahm am 09. Juni ohne Widerstand das militärisch schon geräumte Borba ein. Immer noch versuchte Caracena zu fingieren, dass sein Ziel Portalegre sei, denn er schickte einen Teil seiner Truppen auf die Straße nach Sousel. Doch lag das Hauptkontingent schon zwischen Borba und Vila Viçosa. Ein Teil der spanischen Truppen zerstörte das Kloster S. Paulo in Montes Claros, ein anderer Teil zog Richtung Vila Viçosa.

 

Diese Stadt liegt auf einer Erhebung, über die das vom bragantinischen Herzog D. Jaime ausgebaute Kastell ragt. Das Herzogenschloss selbst wurde seinerzeit außerhalb der Altstadt mit ihren Stadtmauern (der Almedina) erbaut und war nicht so gut gesichert. Wohlweislich hatte Generalleutnant D. Luis da Costa schon zwei Tage zuvor, als Vila Viçosa als Ziel der Spanier wahrscheinlich wurde, zwar alle wichtigen Güter und Ausrüstungen aus dem Stammschloss der Herzöge von Bragança wegfahren lassen. Doch blieb das Gebäude von nicht nur symbolischem Wert relativ schwach geschützt. Schonberg hatte schon Jahre zuvor angeordnet, die Wehranlagen gezielt zu verbessern, doch war man mit den Arbeiten nicht zu Ende gekommen und auch die Garnisonsstärke war nicht üppig. Nun sollte der Platz durch seinen Gouverneur Cristóvão de Brito Pereira und dessen mestre do campo Manuel Lobato Pinto verteidigt werden. Bei der Meldung der Einnahme von Borba wurden drei speziell formierte Abteilungen von Arquebusieren zum Fort S. Bento kommandiert und zwei solche Formationen zum Knotentor beim Herzogspalast und die umgebenden Gärten. Als am 09. Juni zur Mittagszeit die feindliche Kavallerie die Porta dos Nós stürmte, verlor sie erst mal viele Leute.

 

Doch kam eine Stunde später die gesamte Infanterie an und die auf beiden Seiten verlustreichen Kämpfe dauerten bis in die Nacht, ohne dass jedoch die Portugiesen ihre Stellungen aufgeben mussten. Doch später in der Nacht, um 2 Uhr, gelang es einer spanischen Einheit von Carrascal her eine Bresche beim Haus der Jesuiten zu schlagen und von dort aus alle Teile außerhalb der Altstadt einzunehmen. Dort begang die Soldateska Gewalttaten an der einheimischen Bevölkerung und war überall, auch in Kirchen, auf Raub aus. Auf diese Greueltaten von Mönchen angesprochen, soll Caracena erwidert haben, er könne bei so einem bunt zusammengemischten Haufen von Barbaren aller Nationen die Disziplin nicht wahren. Er selbst quartierte sich im Herzogschloss ein, jedoch nicht lange, da ihm die Artillerie im Kastell die Ruhe verdarb.

 

Caracena war fest überzeugt davon, dieses nur halb befestigte Städtchen und diese nur dürftig besetzte Garnison innerhalb von zwei Tagen einnehmen zu können, um dann diesen für sich neu geschaffenen Stützpunkt verlassen und seiner übergeordneten Strategie folgen zu können. Eigentlich hätte er es mit seinen überlegenen Kräften auch schaffen können, doch die Verteidiger waren aufs äußerste entschlossen, das Kastell nicht zu übergeben und bei dessen Behauptung lieber den Tod in Kauf zu nehmen. Außerdem bestand der Grund aus hartem Marmorgestein und es machte enorme Mühe, hier Laufgräben auszuheben. So begann für die Portugiesen ein Wettlauf gegen die Uhr in der Hoffnung, das eigene Ersatzheer würde rechtzeitig ankommen und sie heraushauen. Inzwischen wollte auch Caracena die Schande eines Rückzugs nicht mehr auf sich nehmen und verstärkte seine Anstrengungen. Als die Verteidiger sich darob ins Kastell zurückziehen mussten und somit auch nur noch Zisternenwasser zu trinken hatten, gelang es ihnen auch dann noch auszuhalten. Sie warfen Handgranaten und chemisches Feuerwerk auf die Angreifer vor den Mauern und verteidigten eine schon geschlagene Bresche mit Zähnen und Klauen. Auf diese Weise verbiss sich auch Caracena eine ganze Woche lang, Tag und Nacht, in das „Teufelskastell“, wie er es selbst nannte, bis zum 16. Juni, als er 1.500 Mann Verstärkung bekam. Den Spaniern gelang es mit vermehrter Feuerkraft, bis Einbruch der Nacht in die Zitadelle einzudringen und das Dach der Kirche N. S. da Conceição zu besetzen. In dieser Nacht übernahm Lobato Pinto das Kommando vom verletzten Kommandanten. Er ließ ein großes Feuer entfachen als Signal größter Not für die heranrückenden Freunde. Am Morgen des 17. 06. ließ Caracena die Trompete blasen und rief zu einer ehrenvollen Übergabe auf. Doch eine Kapitulation kam für die geschundene Restgruppe nicht mehr in Frage und bei gleichzeitiger Ankündigung des portugiesischen Heeres ließ der „Spanische Mars“ von der zäh verlaufenden Belagerung dann doch noch ab.

 

Durch diese fast schon übermenschliche Abwehrarbeit der Garnison hatte der Conde de S. João Zeit, mit den Truppen von Beira und Tras-os-Montes anzurücken – ein wichtiger Umstand, denn seine Truppen waren schon am ehesten nach Schonberg’schen Maßgaben geschult worden. Marialva wollte – immer noch in Gedanken an seinen Erfolg in Elvas – mit dem gesamten Heer zum Entsatz vor Vila Viçosa marschieren, obwohl er wusste, wie schief solche Manöver in letzter Zeit schon ausgegangen waren. Doch auch Schonberg und die Mehrheit der Generäle stimmten dem grundsätzlich zu und wenig später - über ein umständliches Genehmigungsverfahren - auch der Kriegsrat in Lisboa. Inzwischen kamen in Estrémoz noch Infanteristen aus Frankreich an, die die ausgedünnten französischen Regimenter, die schon seit 1663 dabei waren, auffüllen sollten.



[1] Um allseits Gesicht wahren zu können, wurde vereinbart, dass Schonberg die nötigen Befehle konzipierte und formulierte, Marialva sie aber so an die anderen Offiziere weitergab, als ob sie seine wären.

[2] Mit vollem Namen D. Luis Francisco de Benavides Carrillo de Toledo (1608 - 06. 01. 1668)

[3] Die Belagerung von Valenciennes, 1656, die Turenne zusammen mit dem weniger tüchtigen Marschall Ferté unternahm, lief durch verschiedene Umstände schief, auch weil die Truppen wegen allgemeinen Geldmangels nicht bezahlt wurden. Zu allem Unglück verlor Schonberg dabei auch noch seinen 16-jährigen Sohn Otto.

[4] Heute noch sehr populärer Wallfahrtsort, an dem Zehntausende am Sonntag nach Ostern die Jungfrau von Bótoa in der Dehesa (unter Steineichen) feiern.

[5] In Wahrheit kamen sie in diesem Jahr überhaupt nicht mehr an. Erst im Juni des nächsten Jahres startete diese Armada von Cadiz aus und wollte zuerst Sagres einnehmen, wurde aber von der dortigen Artillerie über behandelt. Man fuhr dann weiter zu den Berlengas, wo ein Fort geschleift wurde, weiter aber nichts, außer dem Rpckzug nach Spanien.