Rede, Tischkonversation und Schreiben Schonbergs

Bei der Rede handelt es sich in der Form um eine Fiktion, in der Fakten zum damals modernen französischen Militärwesen verarbeitet wurden. Bei der Tischkonversation griff ich Dokumente zur damaligen Lebensart in besseren europäischen Kreisen auf und fügte übungshalber die indirekte Rede ein. Beim Brief Schonbergs handelt es sich um eine selbst veranlasste Übersetzung aus dem barocken Französisch.

 

Aufzeichnung[1] der Ausführungen, die Schonberg der versammelten portu­giesischen Generalität um den Weihnachtstag 1660 zum französischen Militärwesen gegeben hat

 

Hochnoble Herren, verehrte Kollegen!

 

Zunächst ergreife ich gerne die Gelegenheit, die mir angeboten wurde, um mich bei allen verbindlichst zu bedanken, die uns einen so warmen und geradezu begeister-ten Empfang in diesem schönen Teil Europas, im wieder eingerichteten Königreich Portugal, bereitet haben. Ich bin mir dieser Ehre bewusst und darüber hoch ge-stimmt, mich mit allen meinen Kräften – so Gott sie mir weiterhin verleihen möge – den hochgesteckten Erwartungen würdig zu erweisen.

 

Ich verneige mich vorab auch vor dem gütigen Geschick und den dieses tragenden und rechtfertigenden Opferleistungen und Heldentaten aus allen Ständen der Nation, die uns bis hierher geführt haben und die eine Verpflichtung sein mögen, das große Werk in gutem Geiste zu vollenden mit dem Ziel, hierzulande einmal nichts anderes, als in dauerhaftem Frieden dem König zu dienen und ein gottgefäl-liges Leben führen zu können.

 

Wenn ich nun aus meiner Sicht und Erfahrung zum Verständnis der Entwicklung im französischen Militärwesen beitragen soll, liegt mir zuvörderst daran, dass niemand glauben möge, jenseits der Pyrenäen würde nicht auch nur mit Wasser gekocht und die Kugeln seien aus etwas anderem als Blei gegossen (zustimmendes Geraune, vereinzelt Gelächter). Der zuständige Minister Louvain, mein ehemaliger Kollege Vauban als Militäringenieur und mein verehrter militärischer Lehrmeister Turenne haben auch nur auf einer langen, ehrwürdigen Tradition aufbauend und am Gängel-band der gegebenen materiellen Verhältnisse dem französischen Militärwesen zu seinem Erfolgen verhelfen können. Aber auch dieses Land leidet – mit Blick auf wünschenswerte zukünftige Verbesserungen – noch an vielen Ecken und Enden an Unzulänglichkeiten und verfügt insofern keineswegs über eine Wunderarmee: Auch in Frankreich werden die Soldaten nach den Feldzügen mit ihren wertvollen Erfah-rungen wieder entlassen, meist Söldner aller Herren Länder, die innerlich nicht so verfasst sind, einem einzigen, obersten König zu allen Zeiten zu dienen. Kurz, es fehlt noch allenthalben an der nötigen Einheitlichkeit und Disziplin und dem kontinu-ierlichen Erfahrungsaufbau, welche zusammen nur Erfolge zeitigen können.

 

Wir sollten aber der Qualität des militärischen Personals höchste Aufmerksamkeit schenken. Das beginnt mit der Abstellung offensichtlichster Missstände bei der Rekrutierung von Mannschaften durch Anwerber, die auch noch – mit Verlaub gesagt – mit dem übelsten Gesindel Vorlieb nehmen. Meine Qualitätskritik betrifft durchaus auch die Patente der Offiziere, die nur allzu oft durch anderes als Verdienste und Fähigkeiten in ihre verantwortlichen Stellen kommen. Schon mit bescheidenen, aber eben verfügbaren Mitteln kann dem abgeholfen werden. Offizierspatente sollten nur noch durch Hauptleute und Oberste verkauft werden, die einen Blick für ein Mindest-maß an Kompetenz für das Führungspersonal haben. (Hier setzt eine gewisse Unruhe im Publikum ein.)

 

Auch befinden wir uns nicht mehr im Dreißigjährigen Krieg mit seinen rohen Um-gangsformen: Das Benehmen der Hauptleute ihren Soldaten gegenüber sollte im Dienste der edlen Sache von einem Minimum an Selbstdisziplin und menschlichem Respekt getragen sein. Dazu gehören auch Unterbringungen, die Soldaten zu einer gewissen Selbstachtung verhelfen. Dem dient auch die Ausstattung mit einheitlicher Bekleidung, die je nach Regiment unterschiedlich ausfallen kann… (Zwischenruf „Wer soll das bezahlen?“, der aber ignoriert wird.) Zusammen mit dem Regimentsnamen schaffen sie den Oberen Übersicht und den Angehörigen das Gefühl von Verbunden-heit. In Frankreich hat es die Moral der Truppen sehr gefördert, dass Intendanturen, Sanitätsdienste und Versorgungslager geschaffen wurden, letztere wohl abgestimmt auf die Teilstrecken oder den Tagesbedarf, so dass sich jeder Soldat seiner Versor-gung eingermaßen sicher sein kann. Solche allgemeine Reformpunkte, für die wir weder Mühe noch Kosten (richtet den Blick auf den Zwischenrufer von vorhin) scheuen dürfen, mussten vorerwähnt werden, ehe nun die Rede auf einige Neue-rungen bei den Truppenteilen, in der Taktik, der Schlachtordnung und im Befestigungswesen kommen kann.

 

Die in Regimentern organisierte Infanterie, hat sich nur insofern entwickelt, als in deren Kompanien die Pikeniere und Musketiere nicht mehr vermischt sind, sondern meistenteils getrennt wurden und als eigene Soldatenklassen fungieren. Die Kavallerie wurde durchgängig mit dem Langsäbel ausgestattet und sie tritt zahlenmäßig im Verhältnis zur Infanterie zurück. Schauen Sie sich ein Schlachtfeld nach einem Kampf an, dann begreifen Sie, dass die Pferde – etwas salopp gesagt - die eigentlichen Opfer sind. (Geraune im Saal) Die leichtere Artillerie bekommt neuerdings eine zentrale militärische Funktion und einen Stammplatz bei allen Operationen. Auf 1.000 Mann sollten nach Turenne vier solcher Kanonen kommen. Die militärischen Ingenieure sollten nicht zuletzt erwähnt werden, bekommen sie doch bei der fortschreitenden Kriegs- und Belagerungstechnik aber auch bei der Sicherung der Marschwege und beim Überqueren von Flüssen mit Pontons immer mehr Bedeutung zugesprochen.

 

Nun zur Taktik, die den Spaniern entlehnt wurde, von Turenne aber nach seinen flandrischen Erfahrungen und nach dem, was man von den Schweden gesehen hat, modifiziert wurde, um insgesamt mobiler zu werden und flexibler vorgehen zu kön-nen. Bei der Infanterie hat sich das Bataillon als günstigste taktische Einheit erwie-sen. Es formiert sich beim Marsch in Reihen zu sechs Gliedern im Abstand von zwei Hellebardenlängen, um das Marschieren zu erleichtern, das nun immer mehr im Gleichschritt erfolgt; erst kurz vor dem Kampf rücken die Glieder auf und schließen die Reihen in eingeübter Manier. Im Zentrum der Bataillone stehen, in Kompanien aufgegliedert, die Pikeniere, an den Flügeln sind die Musketiere und Füsiliere so auf-gestellt, dass sie trennbarer werden und – wie gesagt – flexibler eingesetzt werden können. Die Offiziere, die ihre Leute gut kennen sollten, verteilen sich vorne.

 

Nun zur Schlachtordnung, die nicht tief ist, sondern grundsätzlich nur auf zwei Linien im Abstand von 300 Schritten[2] aufbaut und einer kleinen Reserve als dritter Linie aus Infanterie und Kavallerie oder nur aus Kavallerie. In jeder Linie teilt sich die Infanterie in zwei Flügel auf, wobei jeder Flügel aus zwei flexibel einsetzbaren Brigaden besteht, die wiederum zwei oder mehr Bataillone umfasst.[3] Auch die Kavallerie bildet an den Flanken der Infanterie zwei Flügel und zwei Reihen. In der Nähe des Feindes angekommen, marschiert man in vier Säulen je Flügel, die Artillerie kommt ins Zentrum zwischen den beiden Flügeln der Infanterie und der leichten Kavallerie. Bei jeder Flügelflanke der Infanterie werden die Einheiten der Kavallerie postiert. Ist die Kampfaufstellung einmal eingenommen, ist es sehr schwer, noch etwas daran zu verändern, zumal dies vom schon gegenüber postierten Feind eingesehen und die vorübergehende Unordnung ausgenutzt werden kann.

 

Nun aufgemerkt! Es hat sich in den letzten Kriegen immer mehr erwiesen, dass der Befestigung von Verteidigungsanlagen oder ganzer Städte eine eminent strategische Rolle zukommt. Um die wichtigsten Festungen werden in der Regel mehr Kämpfe ausgetragen als in offenen Feldschlachten. Wenn jene ernsthafte strukturelle Defizite aufweisen und das Geld für deren aufwendige Unterhaltung oder Neuanlage fehlt, gibt es üble Aussichten. Die Arbeit an den Festungsanlagen um Städte und spezielle Burgen ist eine ständige, nicht enden wollende Arbeit, die in aller Regel von einfachen Soldaten – oft in ärgster Sommerhitze - ausgeführt wird; sie sollen von tüchtigen Ingenieuren angeleitet werden. Die jeweiligen Militärgouverneure haben dem König regelmäßig über den aktuellen Zustand der Festungsanlagen zu berichten. In vielen Fällen wäre es besser, sehr alte Anlagen einzureißen und völlig neu, nach aktuellen Verteidigungsgesichtspunkten aufzubauen. Auch sollten rigoros Häuser abgerissen werden, die an die Festungsmauern angebaut wurden, nur um dem Bauherrn eine Hausmauer einzusparen. Im Kriegsfall erweist sich, dass dieses Sparen im Einzelfall sehr zu Kosten der Gemeinschaft geht.

 

Als geradezu genial hat sich die Befestigungstechnik mit Bastionen nach Vauban erwiesen. Ich kenne diesen einfallsreichen Konstrukteur und seine Ideen, seit er 1653 von Condés aufständischen zu den königstreuen Truppen wechselte. Eine besonders gute Idee sind die parallelen Belagerungslinien, eine gegen mögliche Entsatztruppen, die andere gegen mögliche Ausfallattacken der Belagerten. Angriffe aus den Laufgräben (Sappen) und die Kanonen können sich bis zum Moment des Hauptangriffs gegenseitig unterstützen und über offene Breschen im Mauerwerk zur Einnahme der Festung führen. In Frankreich sagt man „Eine Stadt, die von Vauban belagert wird, ist eingenommen; eine Stadt, die von Vauban verteidigt wird, ist uneinnehmbar.“ (Erstaunte Ausrufe im Publikum)

 

Als Lehrstück meiner Zeit mit Turenne achte ich mit besonderer Sorgfalt auf die Verpflegung der Truppen. Wenn der Nachschub gefährdet ist, verzichtet Turenne im Zweifelsfall eher auf die Nutzung einer günstigen militärischen Chance. Im vergan-genen Krieg buken sich die Soldaten das Brot – ihr Hauptnahrungsmittel – noch selbst. Aber seit 10 Jahren sind es die Infanteristen gewohnt, fertig gebackenes Brot in den Magazinen entlang der Marschrouten vorzufinden. Wenn nicht, fühlen sich die Soldaten nicht gut versorgt, was ihre Moral senkt. Zu meiner Auffassung von Moral gehört es, die Regimenter auch in anderen physischen Belangen genügend zu ver-sorgen. Nicht zuletzt bei der Auszahlung des Soldes werde ich immer bei den ver-antwortlichen Stellen nachhaken, wenn die Truhen mit dem Geld nicht oder verspä-tet ankommen.

 

Zusammenfassend ist leicht zu sehen, dass all diese aus Erfahrung sprießenden Verbesserungen auf mehr systematischem und methodischem Denken und auf der Befolgung von einfachen Regeln beruhen. Kleinere Heereseinheiten der geschilderten Art sind in der Lage, bald hier, bald dort für die verschiedensten Aufgaben eingesetzt zu werden – von der Einnahme einer Festung bis zur Absicherung eines Grenzab-schnittes so lange, bis ein Friedensvertrag geschlossen werden kann.

 

Dies ist ein Ziel, das den meisten hier Versammelten noch unvorstellbar weit ent-fernt erscheinen mag, doch letztlich kämpft jeder Soldat nicht so sehr für die Auf-rechterhaltung des Kriegszustandes, sondern für ein Ergebnis, das zum Friedens-schluss zwingt. Zu dieser Einsicht haben mich jüngst meine Einsätze an der Seite Turennes in Flandern gebracht. Betrachten wir es als eine Ironie des Schicksals oder als göttliche Vorsehung: Unsere militärischen Erfolge haben Spanien dazu gezwun-gen, den Frieden mit Frankreich zu suchen. Dass Kardinal Mazarin dann Spanien das Zugeständnis machte, die portugiesische Krone nicht mehr unterstützen zu wollen und sie wieder von Spaniens Gnade abhängig machte, konnten wir Generäle nicht ahnen. Nun stehen wir der portugiesischen Krone hier zu Diensten – dank Turenne, der sich als wahrer Freund dieser Nation erwiesen hat und auch dank des ausge-fuchsten Mazarin, der das Kunststück fertig brachte, Portugal fallen zu lassen und unter der Hand seine Unterstützung zu tolerieren. Wie man hört, ist der Kardinal ernstlich erkrankt; was oder wer nach ihm kommen wird, sei es nun die Königin-mutter oder gar der junge König selbst, ruht in Gottes Hand.  

 

Unsere gemeinsame Aufgabe ist nun, den absehbaren spanischen Ansturm auf den Alentejo, die Beiras und den Minho erfolgreich abzuwehren und nach einem durch-schlagenden Erfolg einen neuen Frieden zu wagen. Dieses edle Vorhaben bitte ich alle nach ihren besten Kräften mit großem Atem zu unterstützen.

 

Dafür erbitte ich auch die Gnade des Allerhöchsten. (Hier wird unter den Zuhörern der Conde de Cantanhede so sehr von einem Hustenanfall gepeinigt, dass er den Saal verlassen muss.) Ich danke Ihnen, dass Sie sich die Muße des Zuhörens ge-nommen haben und wünsche noch angenehmes Amüsement an diesem wunderbar milden, für mich Neuankömmling aus dem Norden so völlig ungewohnten Winter-abend. (Kurzer, nur höflich klingender Beifall.) Der Conde de Atouguia bittet zur consoada zu Tisch.

 

Schonberg zeigt sich auch für die portugiesische Küche interessiert und parliert gerne

 

Bei Tisch fand Schonberg bestätigt, dass auch die Portugiesen der gehobenen Gesellschaft zum Einzelplatz mit Porzellanteller und Messer und Gabel übergegangen waren, ganz so, wie dies auch in Paris bei Hof schon länger Mode war. Nach einigen abgekochten, sehr frischen Riesengarnelen, die er auch schon kannte und mit Appetit essen konnte, auch wenn er die Mahón-Soße vermisste, wurde eine Suppe vorgesetzt, die gänzlich trübe war, aber angenehm gemüsig duftete und – wie man ihm versicherte – nebst feingeschnittenem Kohlgemüse auch schon gekochte Bataten, fein püriert, enthielt. Danach wurde ein gegrillter Fisch serviert, vermutlich eine Dorade, die mit Kopf, aber gänzlich nackend daher kam. Sein Tischnachbar bemerkte seine suchende und abwartende Haltung, wünschte auffordernd guten Appetit und machte sich grobschlächtig über seinen gegrillten Meeresbewohner her. Als Schonberg fragte, ob nicht noch etwas hinzukäme, wurde ihm versichert, dass Portugiesen Fisch so am meisten liebten. Überhaupt sei es portugiesische Art, ergänzte seine Tischnachbarin, die Gemahlin des Conde de Soure, D. Francisca de Noronha, Hauptspeisen einfach und ohne Dekoration oder gar Gemüse zuzubereiten, nämlich ganz auf die Frische des Fisches oder des Fleisches vertrauend und dessen Eigengeschmack suchend. Ob er diesen Vorzug schon realisiert habe? Gewiss, so Schonberg höflich, doch meine er im Fisch, den er inzwischen schon sachgerecht zergliedert und einige Bissen in den Mund geführt hatte, dennoch entgegen dieser erklärten portugiesischen Sitte etwas scharfen Lauch entdeckt zu haben. Während dessen war Weißwein nachgeschenkt worden, von dem der charmante Gast aber nur wenig verkostete und sich offenbar aus guten Gründen an das Wasser in der porösen Tonkaraffe hielt. Er nahm sich inwendig vor, ein solch kühlendes System, eine púcara, auf seinen Reisen im Alentejo mitführen zu lassen.

 

Als dann auch noch ein Fasan und danach gar noch eine Wildschweinkeule aufgetragen wurden – die Jagd war um diese Zeit voll im Gange und es hieß, sowohl das Feder- als auch das Borstenvieh kämen aus dem Wald von Salvaterra - da musste Schonberg bei aller Liebe und Bereitschaft, sich auf die Sitten des Gastlandes einzulassen, einfach passen. Hier kam ihm diese selbst auferlegte Zurückhaltung schwerer an als am Hof des französischen Louis, wo man die Essgewohnheiten der puritanischen Protestanten kannte und einfach tolerierte. Während sich seine Tischgenossen an den weiteren Hauptspeisen gütlich taten, unterhielt er sie währenddessen mit Schnurren von unterwegs, deren er etliche auf Lager hatte. Als sie geendet hatten, wählte er für sich noch eine frische Orange, die vor seinen Augen sehr kunstfertig und mundgerecht zerlegt wurde und aus dem Königreich Algarve[4] stammen sollte, wo gerade Erntezeit sei.  

 

...

 

Wenn er ganz ehrlich sein dürfe, würde er die Frage, wie ihm das Essen hier konveniert, so beantworten, dass ihm die portugiesische Küche sehr entgegen komme, zumindest die am heutigen Abend genossene, da er auch das Essen der Gestaltung eines vernünftigen Lebens unterordne und die Kochkunst der Arzneikunst dienend zur Seite gestellt sehen möchte. Eine Morgensuppe mit Zerealien, ein stärkendes aber nicht belastendes Mittagsmahl auf portugiesische Art und hie und da der Luxus eines Kaffees – dem könne er in der Regel nicht widerstehen, mache er den Geist doch auch wach für seine Angelegenheiten – so könne er es noch lange hier aushalten. Am späteren Abend noch ein Glas guten Rotweins, wenn die Situation es erlaube, damit könne er dann hoch zufrieden sein und sich zur Ruhe begeben. 

 

Schonberg hatte – auch hier erwies es sich wieder - noch nie Probleme damit, sich in Gesellschaften bei Hof zu bewegen. Ihm war ein sehr einnehmendes Wesen eigen, er kam mit seiner Art gut an, obwohl er in der Sache selbst konsequent einfordernd sein konnte. Sprachbegabt war er auch und so lernte er sehr schnell Portugiesisch und war bald gut orientiert. So hatte er schon vor diesem Abend gemerkt, dass die Portugiesen „keinen großen Verstand vom Krieg“ hätten und es ein Jammer sei, dass ein König keinen alleinigen Oberbefehlshaber in seinem Reich habe. Er schrieb seiner Frau dazu, „dass sie es nicht leiden können, wenn von Fremden etwas Gutes angeordnet werde“, selbst wenn sie wüssten, dass man es gut meine.[6]

 

Schonberg legt nach Weihnachten 1660 in einem bemerkenswerten Schrei-ben an den Staatsrat seine Motivation für den Einsatz in Portugal dar und bittet darum, ihn nicht als Fremden, sondern recht eigentlich als Portugiesen zu betrachten

 

„Es erscheint mir notwendig, mich so kurz wie möglich schriftlich über das Motiv zu erklären, welches mich dazu bewogen hat, meine Dienste Eurer Majestät anzubieten und dabei die Herren Staatsräte zu bitten, sich davon zu überzeugen, dass es weder eine Notwendigkeit war, noch der Wunsch, große Reichtümer zu erwerben, die mich veranlassten, in dieses Königreich zu kommen. Nachdem ich seit meinem 17. Lebensjahr bis heute ununterbrochen die Waffen in den Kriegen Hollands, Schwedens und Frankreichs getragen habe, kann ich heute meine Zeit und mein Leben nicht ehrenvoller verbringen, als Eurer Majestät in einem so gerechten Krieg zu dienen, und das gegen einen Feind, der mit großem Getöse seine Absicht verlauten lässt, mit seiner formidablen Macht dieses Königreich zu erobern.

Gleich, nachdem mich der Sr. Conde de Soure gebeten hatte, mich mit dem Sr. Marechal de Turenne zu unterreden, gab ich ihm zu verstehen, dass ich mein ganzes Leben gegen die Kastilier gekämpft habe und dass ich sehr geneigt bin, so fortzufahren. Doch bin ich nun so weit von meinem Haus entfernt, dass darunter nicht nur meine Familie und einige meiner Güter leiden, sondern unweigerlich auch mein Posten als Tenente Capitão bei der Schottischen Garde des Königs von Frankreich verloren ging, was, wie alle wissen, 130.000 livres ausmacht. Gleichzeitig fielen auch die Posten meiner Söhne weg, die sie in dieser Kompanie hatten und ein Regiment (terço), in dem ich Oberst war, was gute 20 livres Zinserträge ausmachte. Dazu kommt das Erbe, das der König mir in Form von Ländereien (bei Villa de Bergue in Flandern) vermacht hatte und das mir wieder weggenommen wurde, um es nach dem Friedensvertrag an die Kastilier zurückgeben zu können. Diese hätten mir mehr als 40 eingebracht und mir große Annehmlichkeiten gebracht und ich hätte sie friedlich genießen können, statt mich für 10.000 Escudos im Jahr zum Krieg nach Portugal einzuschiffen, mit einer so knappen Pension, dass ich mich damit nicht standesgemäß erhalten könnte. Dabei hatte Msr. de Mazarin[7] schon ein Patent als Mestre de Campo General in Flandern mit einer effektiven Pension von 30 Escudos bereit. Ich habe in Frankreich das doppelte von dem verloren, was er mir entsprechend unserem Sondervertrag für Portugal angeboten habe, versichert mir nun der Sr. Conde de Soure. Eure Majestät möge bitte diese Angelegenheiten würdigen und mich mit einem Besitzstand entschädigen, aus dem sich ein Erbanspruch für meine Söhne ableiten lässt. Sr. Conde de Soure hat mich veranlasst, darüber mehrere Male mit dem Msr. de Turenne zu sprechen, der mich zu überzeugen versuchte, mit besonderer Sorgfalt die Angebote zu prüfen, die man mir machte und auch den Ruhm zu bedenken, den man in einem Krieg gewinnen kann, auf den ganz Europa als den beträchtlichsten dieser Zeit sein Augenmerk richtet. Ich gab ihm meine Überlegungen zurück und wie alles nach meinen Vorstellungen ablaufen könnte. Er erkannte auch die Schwierigkeiten, die ich hätte, wenn ich unter dem Kommando eines anderen Generals außer ihm selbst dienen müsste. Vier Jahre lang habe ich in Flandern ein eigenes Heerescorps befehligt und dabei die Städte Gravellinas, Bourbourg, Fournes, Dixmude, Bergue und andere befestigte Plätze unterworfen. Da wäre es nur schwer verdaulich, nun unter dem Kommando eines Generals zu dienen, dessen Erfahrung nicht so famos ist, wie meine. Der Herr Marechal de Turenne antwortete, dass der Sr. Conde de Soure mir Hoffnung machen könne, dass, wenn ich einmal in den Dienst eingetreten sei, sich schon Mittel und Wege finden ließen, mich schleunigst zu befördern. Diese Aussicht brachte mich dazu, ihm (notabene: Turenne!) mein Wort zu geben. Er gab aber auch zu Bedenken, dass ich nach meiner Ankunft auf Schwierigkeiten stoßen könnte[8], bei der ersten Kampagne den Oberbefehl der Truppe anvertraut zu bekommen, ohne die Plätze des Landes zu kennen, noch die Offiziere und Beamten, die dort Stellungen haben. So gut verstand man mich, dass der Sr. Kardinal Mazarin im Geheimen meine Entscheidung nicht missbilligte und dass man mir versicherte, ich würde in Frankreich nichts verlieren. Aber ganz das Gegenteil erfuhr ich und traf ich bei meiner Ankunft an und als er erfuhr, dass ich mein Wort gegeben hatte, sagte er, er sei sehr erstaunt darüber, was ich für so geringfügige Vorteile alles riskieren wollte und für einen Posten, auf dem er mir nicht versichern konnte, unter keiner anderen Person zu dienen als der von Msr. de Turenne, und das auch nur mit einem separaten Truppenteil. Man sollte auch wissen, dass, als ich Paris schon verlassen hatte, mich ein Brief des Allerchristlichsten Königs[9] erreichte, in dem er mir die Reise untersagte und worin er schon Zugesagtes widerrief. Als Sr. Conde de Soure erfuhr, dass ich aller meiner Posten enthoben und aller Bewilligungen benommen war, versicherte er mir, dass Eure Majestät, die Gott beschützen möge, all das erstatten würde, was ich durch den Eintritt in Ihren Dienst verloren habe. Nachdem also dem Sr. Conde de Soure versprochen war, innerhalb eines Monats abzureisen, wollte ich keinen einzigen Tag mehr verlieren, auch wenn der Rat aller meiner Freunde und die Interessen meines Hauses dem entgegen standen. Der Sr. Kurfürst von Mainz, mein Verwandter, bot mir gelegentlich meiner Besuchsreise nach Deutschland den Oberbefehl über ein Heer an, das die Kurfürsten und das Reich gegen die in Ungarn vorangerückten Türken versprochen hatten. Ich erklärte ihm meine Absichten und er versuchte sie mir auszureden und er zeigte mir aus verschiedenen Gründen auf, dass dieser Posten abenteuerlicher sei als der eines Mestre de Campo General in Portugal. Er versprach, mich … bis zum Mai nächsten Jahres zu suspendieren, für den Fall, dass ich hier doch nicht dienen wollte. All diese Gründe und viele andere Ausgaben und offensichtliche Verluste haben mich nicht von dem abgebracht, was ich dem Sr. Conde de Soure versprochen habe und von dem Wunsch, Eurer Majestät zu dienen, vertrauend darauf, dass die Herren Räte dies alles in Betracht ziehen und dass sie mir den Gefallen tun, um den ich gebeten habe, nämlich dass sie mich mit genügend Mitteln ausstatten, so dass ich ihnen dienen kann. Auch soll ich in den anderen Ländern nicht der Dummheit bezichtigt werden, die vielen Vorteile, die ich beim König von Frankreich hatte, aufgegeben zu haben, ohne sicher zu sein, dass sie mir wieder ausgeglichen würden.

Denn ich habe alle anderen Interessen gänzlich hintan gestellt, um mit großer Kraft, gutem Mut und Eifer Eurer Majestät zu dienen. Und gewähren Sie mir die Gunst, mich nicht als einen Ausländer anzusehen, sondern als einen aufrechten Portugiesen, der bei seinem Dienst nicht nur sein eigenes Leben für die Verteidigung dieses Staates einsetzt, sondern sich auch nicht scheut, das kostbarste, was er besitzt, in seinen Dienst mit einzubringen, hoffend, dass mit der Zeit mir durch Verdienst ein anderer, gehobenerer Posten zukommt. Lisboa, 27. Dezember 1660, Schonberg“



[1] durch den Oberstleutnant Chauvet

[2] Ein Schritt entspricht 0,75 Metern

[3] An dieser Stelle hätte Schonberg wohl gerne einen Beamer mit einer animierten Schemazeichung eingesetzt nach dem didaktischen Motto „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“. Doch standen Zeitreisen dazumal noch unter dem Verdacht der Hexerei und wer möchte sich diesem in Portugal schon gerne aussetzen? Im Übrigen waren es die Herren Offiziere durchaus gewohnt, längeren Suaden zu folgen.

[4] Der Algarve wurde immer schon als eigenes Teilkönigreich und nicht als Provinz bezeichnet und hatte und hat noch immer, Dank des arabischen Erbes, die beste Kultur von Zitrusfrüchten, der von Valencia an Qualität sogar noch überlegen.

[5] für Hämorrhoiden

[6] Ob es Nationalcharaktere gibt, sei dahingestellt, doch bekam Schonberg offensichtlich bald eine Eigenschaft zu spüren, die Portugiesen selbst teimosia nennen und auf sich beziehen, so eine Art von hartnäckiger Verfolgung von Zielen, auch wenn der Weg dorthin zum Scheitern verurteilt scheint.

[7] Im Original wurde der Name mit Marsim geschrieben (ein Hörfehler beim Diktat?)

[8] Im Original steht statt difficuldades – Verschreiben oder ironisierende Sprachkunst? – difaculdades, also statt Schwierigkeiten so etwas wie Unvermögen.

[9] so nannte sich und so wurde genannt Louis XIV. von Frankreich