Der böse Feind

Ich habe mich entschlossen, diesen Text vom Juli 1984 nochmals zur Lektüre anzubieten. Er wurde für die Studiengesellschaft für Friedensforschung e.V. verfasst und diente mir damals auch zu Lehrzwecken am Staatsinstitut für die Ausbildung der Lehrer an Realschulen. Nach nochmaliger Durchsicht finde ich, dass er alle wichtigen Gesichtspunkte berührt, die auch heute noch für die Verträglichkeit der Menschen untereinander und für eine Friedensordnung relevant und aktuell sind. Es wird leicht fallen, von zeitspezifischen Personen und Ereignissen absehen, um zur Substanz einer Konflikt- und Friedensforschung vorzudringen. Der Text ist nicht direkt an Fachkollegen adressiert und die Sachverhalte konnten somit relativ einfach formuliert werden.

 

Beispiele und Tests für Vorurteilsneigung

 

  1. "Nur ein toter XY ist ein guter XY!"
    Für XY kann beliebig eingesetzt werden: Indianer oder "Neger", Jude oder Türke, Kommunist oder Kapitalist, "Langhaariger" oder "Bulle". Inhalte sind austauschbar; wozu braucht es diese Feindbild-Schablone?
  2. Helden und Schurken in Filmen und Romanen. Welche Beschreibung passt zum einen, welche zum anderen?
    Person A: dunkelhäutig, schwarzhaarig, niedrige Stirn und dichte Augenbrauen, aufgeworfene Lippen, spricht mit Akzent...
    Person B: hellhäutig und blond, hohe Stirn, offenes Gesicht, eher schmallippig, spricht ohne Akzent...
  3. Welche der folgenden Aussagen gehören mit einem (+), einem (-) oder im Zweifelsfall mit einem (?) versehen?
    a. Die Kommunisten wollen doch nur die Weltrevolution
    b. Die Kapitalisten sind die wirklichen Kriegstreiber
    c. Mit Frauen kann man nicht sachlich diskutieren
    d. Beamte tun wenig und verdienen zu gut
    e. Alle Türken stinken nach Knoblauch
  4. Was soll man von dem bekannten Ausspruch Schillers halten, "Es kann der Frömmste nicht im Frieden bleiben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt."
    a. So ist es, ganz genau!
    b. Da ist viel Wahres dran!
    c. Ich weiß nicht so recht.
    d. Da stimmt etwas nicht ganz.
    e. Eine völlig unsinnige Aussage!

 

Weiter mit "Vorurteile: Merkmale und Entstehung"

 

Das Thema geht jeden an!

 

Jede/r neigt zu Vorurteilen, auch wenn ihr/ihm dies nicht immer bewusst ist; auch Manfred Wörner müsste im Fall Kießling hinzugelernt haben und seine Aussage korrigieren können: "Wir in der Bundesrepublik hatten weder gestern noch haben wir heute ein Feindbild nötig, das von Hass geprägt ist oder das ideologisiert wäre".

 

Jeder kann durch gezielt ausgestreute Vorurteile und Feindbilder manipuliert werden; für die Kampfausbildung der Soldaten (z.B. anlässlich des britisch-argentinischen Probekrieges) ist dies sogar die Regel: "Soldaten, die nicht an das Böse im Feind glauben, haben keinen Killer-Instinkt".

 

Jeder sollte die verborgenen Zusammenhänge durchleuchten können, die den alltäglichen Frieden gefährden; der frühere Bundespräsident Gustav Heinemann hat (nach dem Mordanschlag auf Rudi Dutschke) dafür ein treffendes Bild gebraucht: "Wer mit dem Zeigefinger allgemeiner Vorwürfe auf den oder die vermeintlichen Anstifter oder Drahtzieher zeigt, sollte daran denken, dass in der Hand mit dem ausgestreckten Zeigefinger zugleich drei andere Finger auf ihn selbst zurückweisen."