Zur Vergangenheitsbewältigung und zu den Grabmälern

Die Bauarbeiten für die Grabdenkmäler wurden im Herbst 1945 aufge-nommen und im Sommer 1946 beendet; im Mai 1947 fand eine Einwei-hung statt. Die Inschrif-ten sind auf allen drei Steinen gleichlautend. Ihre Deutung hatte bisher immer Schwierigkeiten bereitet, da von Anfang an einige hebräische Buchstaben teilweise seltsam geformt, teilweise aber auch vertauscht worden waren.Vor 1985 waren die Denkmäler in denkbar schlechtem Zustand. Nach einem neuerlichen Übersetzungsversuch durch eine Spezialistin (8) wird der Betrachter so angesprochen:

 

"Zum Andenken. Das Auge jedes Vorübergehenden wird Tränen vergießen und fragen, was ist das für ein Denkmal, das du siehst. Es sind die Gebeine von heiligen und reinen Menschen, die nach schweren Folterungen am Tage der Befreiung, am 14. Ijar des Jahres 5705 getötet wurden. Ihre Seelen mögen eingebündelt sein in das Bündel des Lebens."

 

Die Entnazifizierung lief im Dorf folgendermaßen ab: Jeder Bürger musste die üb­lichen 131 Fragen schriftlich beantworten. Der Bürgermeister sollte begutachten, wie sich jeder einzelne Bürger in der NS-Zeit geführt hatte und ob seine Angaben stimm­ten. Vogt ging aber davon aus, dass er der Bürger-meister für alle sei und dass er keinen Unfrieden säen wollte. So bestätigt er jedem unbesehen seine Angaben mit Amtssigel. Auch Otto Pfab kam glimpf-lich davon und war dankbar dafür, dass man ihn nicht "hineintunkte". (1)

 

Allerdings soll der Ortsgruppenleiter zum Schluss noch versucht haben, die Schuld auf den "Ortsbauernführer" Josef März zu schieben, was aber nicht gut ging, da dieser zur fraglichen Zeit in Kriegsgefangenschaft war. (13) Pfarrer Durer soll über ihn zu Schwabhausenern gesagt haben: "Danket dem Herrgott, dass wir als Ortsgruppenleiter so einen Dummen haben." Andern-falls, das war ihre Überzeugung, wäre es böse ("letz'') ausgegangen.

 

Danach kam es nochmals zu einem Vorfall, der für Aufregung im Dorf sorgt. Zwei Davidsterne wurden von den Gedenksteinen heruntergerissen und man musste befürchten, dass Juden aus dem DP-Lager Landsberg im Gefühl von Hass und Ra­che plündernd durchs Dorf ziehen würden. Durch einen Hinweis des Leiters des jüdischen DP-Lagers (heutige Saarburg-Kaserne in Lands-berg), Dr. Akabast, konnte der Bürgermeister erreichen, dass das Dorf von der Militärpolizei ab­geriegelt wurde.

 

1948 starb Dr. Arnold, der sich um ein glimpflich verlaufenes Kriegsende in Schwabhausen verdient gemacht hatte und nach dem die Schwabhausner eine Dorfstraße benannten.

 

Die wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Verhältnisse normalisierte sich zu Beginn der 50er-Jahre wieder dank der Subventionen im Rahmen des sich abzeichnenden „Kalten Krieges“. Bald konnte man von einem „Wirt-schaftswunder“ sprechen und „wir“ wurden Weltmeister im Fußball. Die Deutschen in der Bundesrepublik kehrten gleich nach der Niederlage altbe-kannte Tüchtigkeit beim Aufräumen und Wiederaufbau hervor. Die Vergan-genheit, vor allem die unangenehme, schmerzhafte Seite daran, drohte aber immer mehr tabuisiert zu werden.

 

Können sie auch stolz darauf sein, innerlich aufgeräumt und Fundamente geschaffen zu haben, die einen Rückfall in die Unmensch­lichkeit der NS-Zeit unwahrscheinlich machen? Es gibt etliche Anzeichen dafür, dass es sich große Teile der Bevölkerung bei der Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit bis in die 80er-Jahre hinein zu leicht gemacht haben. Könnte man auch sagen, dass speziell in Schwabhausen etwas un­aufgearbeitet geblieben ist?

 

Im Dorf will kaum einer mehr an den alten Wunden rühren - um des lieben Frie­dens willen. Selbst diejenigen, denen von Nazi-Mitbürgern am übelsten mitge­spielt wurde, sind heute am wenigsten bereit, einfach erinnernde Aus-sagen über die damalige Zeit zu machen. "Wer weiß, was noch kommt ... " (2) Die Meinung herrscht vor, man müsse einen Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen. Und doch können einige ältere Personen heute nicht unbefangen genug von der Kriegs- ­und Nazizeit reden; einmal wurde ängst-lich gefragt, ob das jemandem "gemeldet" würde, was da an eigenen Beob-achtungen und Erfahrungen berichtet würde. Im Dorf ging auch unterschwel-lig der Streit darum weiter, wer seinerzeit Juden versteckt hat und wer sie hinausgeprügelt hat. Dass Pfarrer Sager, der Vorgänger von Pfarrer Durer, mit den Nazis sympathisiert hat und sich später das Leben nahm, wird nur unter vorgehaltener Hand weitererzählt. Ein hörbares Echo auf die Erstausgabe dieser Schrift gab es bis auf obige Mitteilung bei einem Bierfest nicht.

 

Der Umgang mit der jüngsten Vergangenheit ist in Schwabhausen aber wohl nicht besser oder schlechter als in anderen Teilen unseres Landes. Nur an einem Umstand wird das Zögern besonders deutlich, das, was sich in Schwabhausen nun einmal wirklich zugetragen hat, auch offen anzunehmen - am Umgang mit den "Judengräbern". Die Bayerische Verwaltung der Staatlichen Schlösser, Gärten und Seen in München führt die "Judengräber" als "KZ-Friedhof Schwabhausen". Ist dies der Bevölkerung hinreichend bekannt und legt sie an den Friedhof an ihrem Bahndamm dieselben Maß-stäbe an, die sie an den Friedhof bei ihrer Dorfkirche anlegt?

 

Der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern hat nach der Auflösung des DP-Lagers in Landsberg die praktische Federführung des Land­ratsamtes Landsberg bei der Instandhaltung des Friedhofs anscheinend immer toleriert. Das führte dazu, dass Frau Weber aus Schwabhausen, die mit der Pflege ab 1953 betraut wurde, die Anlage schon in einem völlig verwil-derten Zustand über­nehmen musste. Die Brennnesseln standen mannshoch und der ursprüngliche Kiesweg zwischen den Gräbern war, wie auch 1985 wieder, vollkommen mit Gras überwuchert. Die harte Pflegearbeit wurde schlecht bezahlt und darüber hinaus bekam die Frau keinen Dank dafür. Wenn die Auflage gemacht wurde, Wald­kränze anzufertigen, hat man sie hinterher gefragt, warum sie nur so sparsame Kränze gemacht hätte...

 

Die Arbeiten wurden dann wieder vom Landratsamt Landsberg in eigener Regie durchgeführt. Oberster Grundsatz sollte dabei sein, die Denkmäler im Original­zustand zu erhalten. Dies war 1985 sehr schwer zu erreichen, da laufend hebräi­sche Schriftzeichen abgingen oder vielmehr von einigen Jugendlichen mutwillig abgebro­chen wurden. Die Erneuerungsarbeiten zum 40. Jahrestag waren recht kostspie­lig, da jeder Buchstabe einzeln gegossen werden musste und konnten gerade noch rechtzeitig bis Ende April 1985 abgeschlossen werden. 1989 wurden die Denkmäler teilweise mit Kupfer-blech ummantelt. Die Forderungen des Verfas­sers von 1985 für einen wür-digen und jüdische Totenverehrung respektierenden Erhalt der Gedenkstätte in Schwabhausen wurden allerdings nur teilweise erfüllt:

 

a) 1985 wurde eine bronzene Übersetzungstafel für den hebräischen Text zu­sammen mit Kupferblechverblendungen für alle Gedenksteine angebracht. Eine knappe Erklärung der Hintergründe, wie gefordert, fehlt noch. Dabei könnte nur Information, die Betroffenheit auslöst, gedankenlose Täter von ihrem Zerstö­rungswerk abhalten. Aus diesem Grund wurde diese Schrift 2011 ins Internet gestellt und es wurde versucht, diese Informationsquelle in ge-eigneter Form in der Nähe der Gräber bekannt zu machen.

 

b) Schwabhausener haben bisher keine freiwilligen Betreuungsdienste über­nommen. Wer sollte sie auch dazu anhalten, war doch "das ... mit den Juden so­zusagen für uns erledigt"? Die Grabmäler und damit die Toten werden von den Schwabhausenern nach wie vor kaum angenommen. Daran hat auch die öffentli­che Gedenkfeier und Ansprache am 27. 4. 85. nichts geändert, die der Verfasser damals noch für die Bürgervereinigung "Landsberg im 20. Jahrhundert e.V." or­ganisiert beziehungsweise mitgestaltet hat.