Anlandung und Ausbreitung auf der Insel

Inzwischen wird klar, dass Luftlandungen auf dem kleinen Flugplatz von Maleme erfolgen müssen. So auch die des Divisionsstabs der Ge-birgsjäger; beim dritten Anflugversuch wird die Landung gewagt. Flie-gergeneral Student begrüßt die Neuankömmlinge. Generalmajor Ringel übernimmt sofort das Kommando über die Region Maleme und reor-ganisiert alle seine verfügbaren Kräfte. Er bildet drei Kampfgruppen: Major Schätte (Gebirgspioniere und Kradschützen) soll Maleme schüt-zen, nach Westen vordringen und Kastelli einnehmen; Oberst Ramcke soll mit seinen Fallschirmjägern den Norden zur See hin abdecken und sich später nach Osten an der Küstenstraße entlang ausdehnen; Oberst Utz mit seinen Gebirgsjägern soll nach Osten mehr ins Zentrum der Insel vordringen und auch eine Flankenbewegung über das Bergland versuchen. Um 12:00 wird das I./Geb.Jg.Rgt. 100 (Mjr. Schrank) einge-flogen, andere Bataillone folgen. Der Ausbau von Maleme zur Basis gelingt nun, da sich die deutsche Lufthoheit der britischen Seehoheit als überlegen erweist. Vier Tage wird es jedoch noch dauern, den Platz von feindlicher Einwirkung frei zu halten, um sich räumlich erweitern zu können.

 

In der Nacht zum 23.04., als sich die Waage schon leicht zu Gunsten der deutschen Invasoren zu verschieben scheint, wird der König mit seinem Gefolge von Agia Roumeli aus nach Ägypten evakuiert.

 

0523: Zähe Kämpfe mit den Neuseeländern um Modion, das aber ge-gen viel Widerstand mit Hilfe des neu angekommenen I./100. Geb.Rgt. fällt. Als auch die richtige Höhe 259 erobert werden kann, ziehen sich die Neu¬see¬länder zurück und der Flugplatz kann nicht mehr beschos-sen werden. Die Gruppe Utz steht kurz davor, die wichtige Fels¬riegel-Stellung von Agia Marina einzunehmen, so dass dort das gerade ange-kommene Geb.Art. Reg. 95 mit seiner I. und II. Abteilung in Stellung gehen kann. Östlich von Maleme konzentriert man sich auf das befes-tigte Hindernis Galatas, das von den Briten steif und fest verteidigt wird. Gebirgsjäger kommen nun erstmals in Kontakt mit den seit ihrem Absprung bei Chania verbliebenen Fallschirmjägern des 3. Regiments.

 

Im Westen bekommt das Geb.Pionier Bat. 95 (Mjr. Schätte) weiterhin gänzlich unerwarteten Druck von Partisanen. Diese hatten zuvor nachts Fallschirmjäger aufgesucht und jeden, den sie – meist verletzt - fanden, insgesamt 135 Mann, misshandelt, ehe sie ihn töteten. Dabei halfen wohl auch Frauen und Kinder. Daraufhin wirft die Luftwaffe Flugblätter ab, auf denen schlimme Rache angekündigt wird (10 Kreter für einen deutschen Soldaten, Ausradierung ganzer Dörfer usw.).

 

Die schwere Anfangskrise der Operation Merkur ist fürs erste gebannt. Auch der Seeweg für Nachschublieferungen nach Kreta ist nun offen. 20 Flugzeuge vom Typ Ju 52 (mit bis zu 12 Mann) liefern stündlich Nachschub an, vor allem schweres Kriegsgerät. Darunter sind auch die erfolglosen Seefahrer der „Zweiten leichten Schiffsstaffel“ und die wenigen Überlebenden der aufgeriebenen Reichenhaller. Um die Ver-luste auszugleichen wird noch das Geb.Jäg.Regt. 141 des Obersten Jais von der 6. Geb.Div. nachgeführt sowie das Kradschützen-Bataillon 55.

 

0524: An diesem Tag des Ringens um Chania und Souda fallen (500 m nördlich der Kirche von Modion) Linus G.’s Stabs-Kamerad, Oblt. Willi Knecht und Mjr. H. Bode (Kdr. der Fallsch.Art.Abt., die der Gebirgsartillerie unterstellt worden war). Zu Verlusten kommt es zu dieser Zeit hauptsächlich durch Scharfschützen und Granatwerfer (vgl. Kurowski, S. 176/177).

 

Unter persönlicher Anführung durch Oberst Utz gelingt es dem Geb.Jäg.Rgt. 100, zu den Fallschirmjägern von Oberst Heidrich, die seit dem 20. d. M. im „Gefangenental“ festsitzen (Zuchthaus Agya, zum Lazarett umfunktioniert), Kontakt zu schaffen. Zur Vorbereitung des Sturms auf Galatas gehen nachmittags die Bataillone I und II des Geb.Jäg.Rgts. 100 in ihre Ausgangsstellungen, während das I./85 die Sicherung gegen Episkopi – Alikianu übernimmt.

 

Gleichzeitig läuft eine Sicherungs- und Säuberungs-Aktion von Mjr. Schrank in Richtung Paläochora (westliche Südküste), dem verschwun-denen englischen Feind vergeblich hinterher; nur griechische Truppen-teile stellen sich – deren Rückzug sichernd – ihnen noch entgegen.

 

Nach einem vorausgehenden Angriff durch Stukas wird Kastelli mit seinen 8.000 Einwohnern von der Pioniergruppe unter Mjr. Schätte erobert. Dabei kommt es zu einem Wettlauf mit der Zeit, nachdem bekannt wird, dass im dortigen Polizeigefängnis Fallschirmjäger gefan-gen gehalten werden, die von Freischärlern umgebracht werden sollen. Die Befreiung gelingt, jedoch nur wegen unerwarteter Hilfe durch drei australische Leutnants, die die Gefangenen bewacht hatten und sich danach selbst in Gefangenschaft der Deutschen begeben. Die Frei-schärler ziehen sich danach in die „Weißen Berge“ zurück.

 

0525: Dt. Truppen (Ramcke, Utz, Heidrich) umzingeln Chania (das dann am Nachmittag des 27. Mai fallen wird). Der stark befestigte Hö-henzug von Galatas und eine Agaven-Bastion werden bestürmt; ab 16:00 gibt es in Galatas heftige Kämpfe Mann gegen Mann. Den Deut-schen gelingt es gegen die Neuseeländer, den Zugang zum Dorf mit vor- und nachbereitender Hilfe durch Stukas zunächst zu erzwingen. Ehe die zweite Stuka-Attacke erfolgen kann, ist es Aufgabe der Ge-birgsartillerie, durch direkten Beschuss sich auf bekannte Ziele einzu-schießen. Der stärkste Festungsriegel auf Kreta ist am Zerbrechen; danach würde der Zugang nach Chania, der Hauptstadt, und der Sou-da-Bucht mit dem wichtigsten Hafen möglich sein. Um 17:00 lässt Ringel angreifen, zunächst die Kirchhofshöhe und von dort aus erst das vorgelagerte Kastell. Die Gebirgskanonen geben Feuerschutz we-gen des heftigen Abwehrfeuers. Dennoch verlieren die Deutschen bei einer Gegenattacke wieder an Boden. Doch um 18:00 wird Galatas nochmals bombardiert und die Deutschen haben Glück, von den eige-nen schweren Bomben nicht getroffen zu werden. Die Wende schafft dann die 7. Kompanie, die im Nahkampf mit Handgranaten, Bajonett und Kolben die gegnerische Stellung gerade noch bei Einbruch der Dunkelheit nimmt. Für die Gebirgsartillerie geht nun die Arbeit ohne Schusswechsel weiter. Ihre Geschütze müssen in die neuen Stellungen nach vorne geschleppt und gestemmt werden; Munition muss nachge-führt werden. Olt.(w) Linus G. zuständigkeitshalber mitten dabei.

 

0526: Die Gebirgsjäger "säubern" und sichern Galatas noch in der Nacht, das die Gegner scheinbar ganz verlassen hatten. Doch stoßen sie am Ende des 700 m langen Straßendorfes auf massive Kräfte der Neusee-länder. Diese haben sich überraschend mit zwei Panzern verstärkt, mit denen sie sich langsam durch die Gassen vorschieben. Sie verdrängen auch die Gebirgsjäger gegen die Kastellhöhe und Galatas scheint aber-mals verloren. Es kommt zu hohen Verlusten auf beiden Seiten, auch nachdem die Panzer glücklicherweise ausgeschaltet werden können. Mit allerletzten Kräften und Mitteln gelingt es einem Feldwebel (Burg-hartswieser) mit seinem Zug die Neuseeländer bis Sonnenaufgang wie-der zum Nordrand von Galatas zurückzudrängen. Zurück bleibt eine chaotische Stätte grauenhafter Verwüstungen.

 

Weiter geht es gegen die Hauptstadt Chania und die Hafenbucht von Souda. Weil die 85er wegen der enormen Geländeschwierigkeiten nicht so zügig vorankommen, wie gewünscht, wird der Angriff auf den 27. Mai verschoben. Diese Kampfgruppe Krakau schlägt sich äußerst mühsam südlich der Straße durch die Berge durch und besetzt am spä-ten Abend die Höhen über Stilos. Dies alles, um den feindlichen Trup-pen mit diesem „Flankenstoß“ zur Soudabucht den Rückzug nach Süden abzuschneiden. Unwegsamkeit des Geländes, Hitze und Was-sermangel machen diese Aktion zu einem soldatischen Martyrium.

 

0527: Chania fällt am Nachmittag. Beim Einzug ist die Stadt selbst jedoch schon fast verwaist. Dabei kommt neben dem I. Bat./3. Fall-schirmjäger-Reg. das neu angekommene Geb.Jäger.Reg. 141 mit Oberst Jais erfolgreich zum Einsatz. Die Gegenattacken der britischen Verbündeten sollten den britischen Rückzug südwärts nach Sphakia decken, was ihnen auch zu diesem Zeitpunkt noch gelingt und von dem deutscherseits kein Mensch weiß.

 

Schon seit 26. 05. ist sich General Freyberg im Klaren, dass die Schlacht um Kreta für ihn verloren ist. Auch sein Vorgesetzter, der in Alexandria sitzende General Wavell, setzt sich über Churchills Durch-halteparolen hinweg und befiehlt, Kreta für Großbritannien abzu-schreiben und ganz zu räumen. Zwar werden noch zwei Bataillone zur Verstärkung geschickt, dies aber nur noch, um den Rückzug der Solda-ten auf Kreta zu sichern, der denn auch zu einer militärischen Meister-leistung der Briten gerät. Diese Bataillone machen denn auch dem Geb.Jäg.Reg. 141 noch in Nachhutgefechten heftig zu schaffen. Die Evakuierung erfolgt, von deutscher Seite lange Zeit unbemerkt, haupt-sächlich von Chora Sfakion aus. Da es dort keinen Hafen gibt, ge-schieht die Einschiffung recht mühsam und langwierig. Erst auf dem Weg nach Alexandria werden die Schiffe entdeckt und durch deutsche Bomber bei hohen englischen Verlusten beschossen.

 

Grab des Kameraden Willi Knecht (mit dem auch am 24. 05. 41 gefallenen Major Bode) bei Modion. Links daneben: Gefallener englischer Soldat noch unbeerdigt.
Grab des Kameraden Willi Knecht (mit dem auch am 24. 05. 41 gefallenen Major Bode) bei Modion. Links daneben: Gefallener englischer Soldat noch unbeerdigt.