Burgundische Ritter und das portugiesische Königtum

Links Nationalistisches "Gebet" für den Gründer des Königtums Portugal von Fernando Pessoa, angebracht an einer Gedenkstätte in der Nähe von Castro Verde ... (wird hier besser nicht übersetzt) Mittig D. Emanuel auf dem Höhepunkt der portugiesischen Machtentfaltung. Rechts der jugendliche Sebastiao, interpretiert von Joao Cutileiro. Mit seinem frühen Abgang begann die Herrschaft der spanischen Habsburger, der Kastilier.

Die Portugiesen sind - zu Recht oder nicht, sei einmal dahingestellt - in der Mehrheit stolz auf ihre lange Reihe von Königen. Sie werden auf Sammler-Münzen geprägt und man lernt ihre Namen in der Schule auswendig. Da man bei der Bezeichnung von Plätzen, in Büchern und auf Denkmälern immer wieder auf sie stößt, sollen sie hier zum besseren Überblick auch versammelt werden. Außerdem kann man davon ausgehen, dass sich in den Schicksalen der Könige eines Landes auch wichtige Züge der jeweiligen geschichtlichen Epochen ausdrücken - wenn auch nicht in Zusammenhängen.

 

 

Die Burgunder

 

 

Afonso I

Afonso Henriques

„O Conquistador“

(Der Eroberer)

Sohn Heinrichs von Burgund, der 1112 starb. Besiegte wunderbarerweise die Mauren bei Ourique. Liess seine Mutter Teresa, eine illegitime Tochter des kastilischen Königs, wegen einer galizischen Liebesbeziehung verbannen und sich selbst, noch sehr jung,

1140 zum ersten König Portugals ausrufen. Erkämpfte sich danach Anerkennung von Spanien und später (wegen Eroberung Lissabons 1147 und  Klostergründung Alcoba­ça 1153) auch vom Papst. Er wird als Staatsgründer an portugiesischen Schulen als tadelloser Held hochgejubelt, dürfte aber eher ein verschlagener Mensch ohne Prinzipien gewesen sein.

Sancho I

"O Povoador"

(Der Besiedler)

1185 König, gründete Festung von Bragança, eroberte Silves 1189, öffnete dadurch erstmals den Algarve für die christlichen Ritterheere (nur um die Stadt zwei Jahre später wieder an die Mauren zu verkaufen). Im Inneren forcierte er die Wiederbesiedelung.

Afonso II

„O Gordo“

(Der Dicke)

1211 König, stärkte Königsmacht durch Klärung der Besitzansprüche auf Land. Verbot der Kirche, neue Ländereien zu erwerben.

Sancho II

„O Capelo“ (Kapuze; trat ei­nem Orden bei)

1223 - 1247 König, erbte den Thron als 13-Jähriger. Eroberte gegen die Mauren große Teile des Alentejo, konnte aber den Staat im Innern nicht zusammenhalten. Wurde am Ende abgesetzt, floh nach Toledo.

Afonso III

„O Bolonhês“

(Der Bologneser)

1248 König, eroberte erneut und zerstörte 1242 die blühende Mauren-Stadt Silves, nahm Faro ein. Bekam Ärger als er 1253 kastilische Königstochter heiratete, obwohl die erste Frau noch lebte. Steuererhebungen und königstreuer Beamtenapparat stärkten die Königsmacht weiter. Zeit der Troubadoure.

Dinis (Dionysius)

„O Lavrador“

(Der Pflüger)

1279 König, Poet, gründete 1290 in Lissabon die erste Universität, die später nach Coimbra verlegt wurde. Besitzbürgertum kam in die Cortes und sorgte für politische Ausgewogenheit. Portugiesisch wurde Landessprache..

Afonso IV

„O Bravo“

(Der Tapfere)

1325 König, schlug den letzten Maurenansturm im Bündnis mit Kastilien zurück. Schickte allererste Schiffsexpedition zu den Kanaren. Hatte ab 1348 Pest im Land und Pech mit seinem Sohn, der bei seiner wilden Natur von einer kastilischen Hofdame (Inêz de Castro) nicht ablassen wollte.

Pedro I

„O Cruel“

(Der Grausame)

1357 endlich König, führte er einen Bürgerkrieg gegen seinen Vater, weil der seine Geliebte 1355 ermorden ließ, nahm grausam Rache an den gedungenen Mördern. Dieses Melodram ist packend beschrieben in einer Ballade von Gil Vicente. Seine Gebeine und die seiner Geliebten ruhen heute in einem Prunksarg in Alcobaça.

Fernando

„O Formoso“

(Der Schöne)

1367 König. Provozierte drei Kriege mit Kastilien, die Portugal zerstörten. Stiftete aber auch 1373 Bündnis mit England. Ehe er 1383 starb, vermählte er seine 11-jährige Tochter Beatriz mit dem König von Kastilien, um die Königreiche zu vereinen. Der Adel machte mit, das Bürgertum revoltierte dagegen und unterstützte den späteren João I. Der kastilische Ehemann Juan kam wegen erfolgreicher bürgerlicher Revolution (1383-1385) und dem portugiesischen Sieg über sein Herkunftsland (bei Aljubarrota) nicht mehr zum Zuge.  

 

Der Avizorden

 

 

João I

„de Boa Memoria“

(guten Gedenkens)

Bastard König Pedros I., "Mestre Aviz", bestieg 1383  den Thron. Siegte mit seinem genialen Feldherrn Nuno Álvares (dem er später seine Tochter vermachte) und mit Hilfe englischer Truppen 1385 bei Aljubarrota gegen Kastilien, sicherte damit die portugiesiche Unabhängigkeit. Gründete 1415 durch Einnahme Ceutas die überseeische Herrschaft. Schrieb selbst ein interessantes Buch über die Jagd. Aus der Ehe mit Filipa de Lancastre gingen acht Kinder hervor, u.a. Henrique („O Navegador“), der auch  Gouverneur des Algarve war. Fernando, sein jüngster Sohn scheiterte unglücklich bei der Eroberung Tangers. Tochter Isabel wird 1430 an den damals bedeutsamsten Thron von Burgund verheiratet.

Duarte

„O Eloquente“

(Der Beredte)

Ab 1412 an der Regierung beteiligt, seit 1433 König. Galt für seine Zeit als sehr gebildet.

Afonso V

„O Africano“

(Der Afrikaner)

Erbte 1438 den Thron, übernahm ihn selbst 1446, war und blieb aber unerfahren, geriet in Intrigen und war gegenüber Kastilien erfolglos. Einige afrikanische Eroberungen auf der portugiesischen Positivseite.

João II

„Principe Perfeito“ (Der vollkommene Fürst)

1481-1495. Kämpfte hart gegen den Hochadel für die Zentralmacht. Sogar ein Herzog von Bragança wird dafür hingerichtet. Bereitete die Phase größter Machtenfaltung Portugals vor, obwohl er das Angebot Kolumbus’, der seit 1479 in Portugal lebte, ablehnte, für seine Krone auf dem Seeweg nach Westen an die asiatischen Pfründe zu kommen. Er starb ohne Erben.

Manuel I

„O Venturoso“

(der Glückliche)

 

Unter diesem König erlebte Portugal 1495 bis 1521 die größte Macht- und Prachtentfaltung; residierte v.a. in Sintra. Er erntete, was andere ausgesät hatten. Sein voller Titel ist aufschlussreich: „König von Portugal und der beiden Algarve diesseits und jenseits des Meeres, Herr der Schifffahrt und der Eroberung von Äthiopien, Arbien, Persien und Indien“. Negativbilanz: Intoleranz gegenüber Juden und Mauren. Von den Nachkommen erwähnenswert: Isabel (wg. späterer Verbindung zu Filipe I.), Duarte (weil sich João IV. davon ableitet).

João III

„O Piedoso“

(der Fromme)

1521-1557 König, 1525 mit einer Österreicherin verheiratet. Neun Söhne, der jüngste davon, Vater von Dom Sebastião. Gil Vicente schrieb zu seiner Huldigung Theaterstücke. Führt, unterstützt von Kaiser Karl V., gegen den Widerstand Roms die Inquisition ein. Staatsschulden steigen, weitere Kolonisierung der Welt damit nicht mehr möglich. Für die Stabilisierung des Indienhandels gibt er marokkanische Besitzungen auf. Noch „Goldenes Zeitalter“ Portugals.

Sebastião

„O Desjado“

(der Ersehnte)

Erbt 3-jährig, 1557, den Königsthron, nachdem sein Vater, kaum 17-jährig, kurz vor seiner Geburt starb und seine junge Mutter, Tochter Karls V., das Kleinkind verlässt und dessen Erziehung alten Haudegen und den Jesuiten überlässt. Ohne ein reguläres Familienleben wurde er zu einem frömmelnden Jüngling mit unrealistischer Weltsicht und als solcher, 1568, noch 14-jährig, zum Traum- und Unglückskönig Portugals. Als er 1578 die Schlacht in Marokko (beim heutigen Ksar el-Kebir) verliert und dabei selbst stirbt, geht mit ihm die gesamte portugiesische Elite zugrunde. Um einen Erben zu zeugen, war keine Zeit; man munkelt auch, er sei homosexuell gewesen.

Henrique

1578-1580, Sohn Manuels, hatte die geistliche Laufbahn eingeschlagen. Führt nach Sebastiãos Abgang als letzter des Hauses Aviz für zwei Jahre die Geschäfte als Kardinal-König und Grossinquisitor. Er musste riesige Geldsummen aufbringen, um die Gefangenen in Marokko auszulösen.

 

 

Die Kastilier

 

 

Filipe I

"Felipe  II. von Spanien"

1581-1598, annektierte Portugal, begründet durch eine nur zweijährige Ehe mit Maria von Portugal (mit der er immerhin den unglücklichen Don Carlos zeugen kann). Portugal verliert nicht ganz seine Eigenständigkeit, wohl aber, durch die Anbindung an Spanien, 1588 seine Flotte beim Untergang der spanischen Armada. Das Land wird über Steuern ausgeblutet, überseeische Besitzungen gehen wegen Vernachlässigung an andere Länder über. 

Filipe II

„Felipe III. von Spanien“

1598-1621, schwacher Charakter, überließ die Politik seinen Ministern. Portugal hatte darunter zu leiden.

Filipe III

"Felipe IV. von Spanien" (-1665)

1621-1640, trug durch übertriebene Zentralisierungsversuche selbst zum Zerfall seines Reiches bei; Katalonien erklärte sich unabhängig, so auch Portugal, das für den spanisch-französischen Krieg nur ausgelaugt wurde. Militärische Halteversuche schlugen fehl.

 

 

Die Braganças

 

 

João IV

„O Restaurador“ (Wieder­hersteller)

1640-1656, musikalisch interessiert und begabt, kann er auch schon als der Tüchtigste aus dem Hause der Braganças angesehen werden. Machte sich  zum Haupt der Palastrevolte gegen die Kastilier. Behauptete sich mit dieser Neugründung des Königreichs Portugal.  

Afonso VI

„O Vitorioso“

(der Siegreiche)

1656-1668/83; kam 13-jährig auf den Thron, war geistig behindert und zeitlebens krank. Unter seiner Regierung konnten aber mit Hilfe des deutschstämmigen Söldnergenerals Schomberg (Friedrich Graf v. Schönberg, 1615-1690) die Attacken der Spanier abgewehrt werden und es kam 1668 zum Friedensschluss von Lisboa/Madrid.

Pedro II

„O Pacifico“

(der Friedvolle)

1667/83-1706; löste seinen kranken Bruder ab; heiratete in zweiter Ehe eine von Neuburg. Engagierte sich im Spanischen Erbfolgekrieg, was dem Land aber nicht gut tat, und trug zur Erschließung Brasiliens bei.

João V

"O magnânimo"

(der Hochherzige)

1706-1750, Regentschaft im Zeichen des brasilianischen Goldes, das endlich gefunden wurde. Gründete (in Erfüllung eines Gelübdes für einen Nachkommen) 1717 Kloster Mafra in einer Art Größenwahn; liebte im Kloster die Nonnen. (Vgl. José Saramago „Das Memorial“)

José I

„O Reformador“

(der Reformator)

1750-1777, ließ bis zu seinem Tod den aufklärerischen und diktatorischen Marquês de Pombal, Graf von Oeiras,  regieren. Klerus und Adel verloren Privilegien, Jesuiten wurden vertrieben. Die Abhängigkeit von England wurde gelockert, eine spanische Invasion 1762 zurückgeschlagen. Das Land gesundete und überstand auch das Erdbeben 1755. Das Bürgertum wurde freilich übergangen, der innovatorisch-revolutionäre Schwung blieb aus.

Maria I

„A Piedosa“

(die Fromme)

 

1777-1816, heiratete ihren Onkel, machte die Reformen und Grausamkeiten Pombals rückgängig, wurde geisteskrank angesichts der Bedrohungen durch die Französische Revolution. 1792 übergab sie die Regentschaft an ihren Sohn. Als ein französisches Heer 1807 (bis 1811) Portugal besetzte, setzte sich die Königsfamilie nach Brasilien ab (und kam erst 1820 wieder).

João VI

„O Clemente“

(Wohlwollende)

 

1816-1826, schaffte die Todesstrafe ab, wehrte danach die Wiederkehr des Absolutismus ab. Seine Regierung fiel in tumultöse Zeiten. 1822 schwor er auf die von den Cortes ausgearbeitete Verfassung mit mehr bürgerlichen Rechten. War im Konflikt mit seinem aufständischen Sohn D. Miguel.

Pedro IV

„O Rei-Soldado“

(Soldaten-König)

1826-1828, seit 1822 Kaiser des als unabhängig erklärten Brasilien, trat das Erbrecht in Portugal an Maria ab, erließ aber zuvor noch eine weniger liberale Verfassung, die auch bis 1910 in Kraft blieb. Setzte unter Druck 1827 seinen jüngeren Bruder Miguel als Regenten ein.

Miguel I

„Rei Absoluto“

(absoluter König)

1828-1834, ließ sich 1828 an der Spitze einer reaktionären Bewegung zum König ausrufen, löste die Cortes auf und spaltete das Land in Absolutisten und Liberale. Pedro verließ seinen brasilianischen Thron und besiegte in Portugal seinen Bruder 1834 (mit Hilfe der Engländer).

Maria II da Gloria

“A Educadora”

(die Erzieherin)

1834-1853, 1836 mit Ferdinand II., Prinz von Sachsen-Coburg-Gotha verheiratet. Unter ihrer Regentschaft gab es ständige Wirren, die erst 1851 zu einem relativ friedlichen Wechsel der gesellschaft-lichen Kräfte führte. Starb bei Geburt des 11. Kindes.

Pedro V

„O Esperançoso“

(Hoffnungsvolle)

1855-1861, talentiert und gebildet, heiratete Stephanie von Hohenzollern-Sigmaringen, die bald danach an einer Krankheit starb, ein Schicksal, dem fast die ganze Königsfamilie unterlag, zum Schluss der König auch.

Luis I

„O Popular“

(der Beliebte)

1861-1889, fremdsprachlich versiert und künstlerisch begabt, liberal gesinnt, ein idealer konstitutioneller Monarch, förderte er Wissenschaft und Kunst (z.B. Eça de Queirós).

Carlos I

„O Diplomata“

(der Diplomat)

1889-1908, Wissenschaftler (Ozeanograph) und Künstler, normalisierte die Beziehungen zu England, musste 1892 den Staatsbankrott erklären, richtete sich im Wald von Buçaco ein „Märchenschloss“ ein,  wurde mitsamt seinem ersten Sohn Luis am 01.02.1908 in Lissabon von Republikanern ermordet..

Manuel II

„O Patriota“

(der Patriot)

1908-1910, zweiter Sohn Carlos’, heiratete 1913 eine Hohenzollern, wurde durch Ausrufung der Republik am 05.10.1910 entthront, starb 1932 in England.

  

In Brasilien - dies sei noch mehr ausgeführt - kam es 1822 zur Unabhängigkeitserklärung des Vizekönigreichs, da das nach Portugal zurückgekehrte Königshaus das Versprechen auf eine freiheitliche Verfassung nicht eingelöst hatte. Dies verwundert, da João VI. im Mutterland 1822 doch selbst bereit war, auf eine neue Verfassung zu schwören. Der zurückgebliebene Kronprinz Pedro stellte sich an die Spitze dieser Unabhängigkeitsbewegung und wurde zum Kaiser Pedro I. im Rahmen einer konstitutionellen Verfassung ausgerufen. 1825 erkannte Portugal die Unabhängigkeit schließlich an. Brasilien entwickelte sich unter seinem Pedro II. wirtschaftlich sehr stark, vor allem durch Plantagenanbau in seinen Südprovinzen und dank der europäischen Einwanderer und der afrikanischen Sklaven. Erst 1888 wurde die Sklaverei abgeschafft, 1889 übernahm eine republikanische Verschwörergruppe die Macht, woraus sich 1891 eine neue Republik mit neuer Verfassung (in Anlehnung an die USA) entwickelte.

 

Was macht das entthronte Königsgeschlecht in Portugal, seit die Republik ausgerufen und dann von einer langen Diktatur-Periode abgelöst wurde? Senhor Dom Duarte, der Herzog von Bragança, 1945 in Bern geboren, und Senhora Dona Isabel, 1966 in Lissabon mehr oder weniger bürgerlich geboren, standen eine Zeit lang bereit. Es gibt eine Vereinigung und ein boletim, das den Gedanken an das portugiesische König­stum aufrecht zu erhalten sucht, und es gibt seit 1996 das Prinzchen (principezinho) Afonso de Santa Maria, das den Stammbaum der Bragança und ihre Hoffnung auf eine abermalige Thronbesteigung aufrecht erhalten soll. Bei der Tauffeier in Braga wurde das Volk immerhin zu Sprechchören hingerissen "Leal, leal, por el-Rei de Portugal!" Nachdem aber Mario Soares das bürgerliche Präsidentenamt in seiner zehnjährigen Amtszeit gut im Volk verwurzeln konnte und Jorge Sampaio ihm darin nicht nachstand, gibt es eher schlechte Aussichten für Portugals Königstreue. Wer sich außerdem mit der Geschichte näher befasst hat, kommt um den Schluss nicht herum, die Braganças seien - insgesamt gesehen - doch keine besonders tüchtige Königsriege gewesen.

 


Manuel II, letzter König Portugals (aus dem Haus Sachsen-Coburg-Gotha) und der Linie der D. Pedro IV-Bragancas. Daneben D. Duarte III Pio, Thronprätendent, aus der Linie von dessen Bruder D. Miguel.