Familie Schleßinger im Vorderen Anger 284 und 207, Vordere Mühlgasse 191

 

Theodor Schleßinger, am 02.12.1890 als Sohn der Privatierseheleute Gottschalk und Sofie Schleßinger, geb. Mannheimer, in Flehingen/Bretten/Baden geboren, zog im Oktober 1930 als Viehhändler von München, wo er seit 1918 wohnte, nach Landsberg zu. 1919 war Schleßinger in den bayerischen Staatsverband aufgenommen worden. Seine Frau Sofie geb. Feldmann (Eltern: Gustav und Sali Feldmann, geb. Feldmann) kam am 12.06.1900 in Altenmuhr/Gunzenhausen zur Welt. Die Vermählung fand am 24.05.1922 in Ansbach statt. Zusammen hatten sie offiziell dokumentiert nur die eine Tochter Sitta bzw. Sitti.

 

Der Vermieter der Familienwohnung im zweiten Stockwerk, Gewerberat F. J. Müller, beklagte sich am 07.08.1935 bei der Stadt, dass Schleßinger vertragswidrig auch Kunden und mehr als nur seine Familie (nämlich ein „Judenheer“) in die Wohnung genommen habe. Tatsächlich handelte es sich aber nur um sechs Personen . Konsequenz: Sie sollten „im Interesse eigener Sicherheit“ laut Anordnung vom 12.08.1935 das Stadtgebiet „binnen 24 Stunden“ verlassen, was auch geschah. Schleßinger selbst wurde seine Wohnung zum 15. September auf außerordentlichem Wege gekündigt. Auch seine Stallungen im „Stern“-Anwesen, die der Gräflich-Maldegen’schen Gutsverwaltung (Schloss Igling) gehörten, wurden auf Druck des Stadtoberhauptes, Dr. Schmidhuber, zuständigkeitshalber vom aktuellen Pächter Johann Schweyer ebenfalls gekündigt. Diese Angelegenheit wurde unter dem Punkt „Belästigung durch Juden“ am Tag nach Müllers Klage auch vom Stadtrat behandelt und in der lokalen Presse war zu lesen, dass es zu „jüdischen Frechheiten“ auch in Landsberg gekommen sei und „Der Chef der Stadt stellte fest, dass Landsberg den Besuch von Juden nicht wünscht.“ So waren dem Juden Schleßinger mit einem Mal sowohl seine Privat- als auch seine Geschäftsräume entzogen.

 

Den zwei Juden im Viehhandel sollte die Existenzgrundlage im Stadtbezirk entzogen werden. Dafür wurden die fünf arischen Konkurrenten ausgehorcht. Schleßinger soll geäußert haben „Vieh wird gekauft, was nur zu kaufen ist.“ Das von ihm in der Regel zu vergleichsweise etwas höheren Preisen gekaufte Schlachtvieh lieferte Schleßinger an den Schlacht- und Viehhof München und an diverse Metzgermeister in Schongau und Landsberg. Dass Schleßinger im Januar 1936 wegen angeblicher Tierquälerei zu 50,- RM Geldstrafe verurteilt wurde, erfährt man fein säuberlich in seinen Akten und dies ist bezeichnend für die Strategie, den Juden rasch noch etwas „anzuhängen“.

 

Nach dem Eklat bei Müller im Vorderanger, kam die Familie für 14 Tage bei Willstätters unter, um dann bei Fischels vier Jahre zur Miete zu wohnen. Am 30.08.1938 meldete Schleßinger als letzter jüdischer Viehhändler in Landsberg sein Gewerbe ab. Am 07.10.1939 emigrierten das Elternpaar und die Tochter über Genua nach Chile; auch Uruguay oder Argentinien waren zuvor angedacht worden. Dort, in Valparaiso, nannte sich der Landsberger nun Teodoro Schlessinger.

 

Aber noch im Oktober 1940 ermittelte die Gestapo wegen der deutschen Reichszugehörigkeit des Exilanten. Seine Wiesen und Äcker in der Gemarkung Erpfting wurden später von Gregor Nieberle und Johann Blasi aufgekauft (Plan-Nr. 437, 712, 800, 911, 14071408, 1628). Auf einem Konto der Hypo-Bank in Landsberg fanden sich 1940 noch 490 RM, deren sich das Finanzamt gleich bemächtigte.

 

Sitta Schleßinger, geb. am 11.12.1923, war zum Zeitpunkt des Exodus eine 16-jährige Schülerin. Später in (Santiago de) Chile heiratete sie wohl einen Erich Kaufmann, der Anfang 2007 verstorben sein muss. Sie engagierte sich offenbar bis in ihr hohes Alter hinein in einer chilenisch-israelitischen Gruppe, die bei Geburten und Todesfällen im Rahmen eines jüdischen Nationalfonds Bäume für Israel spendeten.