Bilanz des Schreckens und politische Folgen

Aus der Chronik des Pfarrers Jakob Billeter aus Aegeri, 1671-1691 Oberschulmeister in Altdorf[1]:

 

1664

01.07. ziehen geworbene Soldaten nach Portugal. Von Zug war Hauptmann Beat Jakob Mooss dabei, der im Krieg gestorben ist.

 

1665

17.07. ist zwischen dem König von Spanien und einigen Schweizern einerseits und den Portugiesen auf der anderen Seite eine große Schlacht geschehen, in welcher der König zwar erstlich gesieget und einen festen Platz eingenommen, hernach aber die Portugieser unter dem Obristen Schomberg mit solcher Furie eingedrungen, dass die Königlichen samt den Schweizern sich mit der Flucht retirieren und beschirmen müssen. Haben gar viel ehrliche Männer, fürnehme Hauptleute und Offiziere verloren. Viel Bagasche, Geschütz und andere Kriegsmunition mussten hinterlassen werden.

Von Luzern sind geblieben: 2 Hauptmänner, von Schwyz 2, von Unterwaldern 2, von Frieburg 3, aus der Pünten Obrister Planta gefangen usw.

 

„Nicht vergebens“ sagte Bruder Clauss, „man soll den Zaum nicht gar zu lang machen.“

Wäre man ihm gefolgt, wäre keine Schweizer Fahne in Portugal verloren gegangen.

 

 

Auch 700 Portugiesen fielen, 2.000 wurden verwundet, drunter der Reiterkapitän Francisco Albuquerque de Castro, der trotz der 22 (!?) Verletzungen, die er sich zuzog, vom Kämpfen nicht ablassen wollte. Die Spanier hatten demgegenüber 4.000 Tote zu beklagen und 6.000 gerieten – wohl zum großen Teil verwundet - in Gefangenschaft. Erbeutet wurden 86 Infanterie- und 18 Kavallerie-Fahnen, 4 Standarten, die Kesselpauken von Caracena und Parma, 14 Kanonen, 2 Mörser und jede Menge Waffen und sonstiges Kriegsgerät. Gefangen genommen wurden viele vornehme Chargen, u. a. der Kavallerie-General D. Diego Correia, was gute Auslösegelder versprach. D. Gaspar de Haro, einziger Sohn des Conde de Castrillo und mit einer Tochter Caracenas verheiratet, starb in Estrémoz an seinen Verwundungen. Bei den Portugiesen hatten sich diesmal Marialva und São João durch Mut und Geistesgegenwart ausgezeichnet, Schonberg ohnehin durch Kaltblütigkeit und Allgegenwart. Marialva hielt unerschütterlich an der Spitze der zweiten Reihe dem gegnerischen Angriff stand und erkannte sicher und schnell eine Schwäche des linken Flügels, dem er zu Hilfe eilte; Schonberg war die gute Formation zu danken, mit der die portugiesischen Truppen voranschritten und die Schnelligkeit, mit der er die gesamte Reiterei vom linken zum rechten Flügel herüberzog, so dass die Kastilier mit dieser plötzlichen Massierung letztlich nicht fertig werden konnten. Lobenswert auch die portugiesische Infanterie mit ihren ausländischen Schwadronen, die spätestens nach der zweiten Salve aus nächster Nähe gleich mit den blanken Waffen loslegte. Entscheidend war auch die Beobachtung und der Hinweis des Generalleutnants D. João da Silva an den Reitergeneral D. Dinis de Melo e Castro, dass sich die spanische Kavallerie zurückziehen wollte, um einen neuen Überraschungsangriff zu formieren.

 

Dieser endgültige militärische Sieg über Spanien war im Grunde nur möglich, weil Castelo Melhor alles in seiner Macht stehende getan hatte, um eine ebenbürtige Armee zu finanzieren; dabei bewies er großes Geschick und Durchsetzungsvermögen. Dass die Bevölkerung durch Abgaben und Gewalttaten zu leiden hatte, steht wie immer auf einem anderen Papier. Auch hatte der oberste Minister und Vertraute des Königs immer wieder Erfolg, seine Generäle im entscheidenden Moment eben gerade so zusammen zu halten. Es war überhaupt nicht zu erwarten, dass zwischen dem anfangs rasend eifersüchtigen[2] Marquês de Marialva (Militärgouverneur und General der portugiesischen Kavallerie) und dem ausländischen Schonberg (Generalsstabschef und General der ausländischen Truppen) funktionierende Verständigung und unterstützende Aktionen in der Schlacht von Montes Claros zustande kommen würden. Denkt man an das überlieferte Gezänk um Pferdezukäufe von 1662 und an die spätere kuriose Vereinbarung, Schonberg solle an der Seite Marialvas die Befehle vorformulieren und nur zuflüstern, die dieser dann offen erteilen sollte, dann darf man sich darüber gerne erstaunen.

 

Am Morgen danach wurden alle erbeuteten Trophäen und Spontons der gefangenen Offiziere vor Schonbergs Zelt aufgepflanzt. Dann wurde er mit einem Siegesgeschrei unter Pauken und Trompeten geweckt und es wurden ihm Komplimente gemacht. Am selben Tag noch schafften es die Einwohner und Verteidiger von Vila Viçosa, durch einen geglückten Ausfall, die geschwächt belagernden Spanier zu schlagen und ihnen sämtliche Geschütze abzunehmen. Nicolau de Langre wurde dabei schwer verwundet und starb tags darauf. Die weiteren Chancen des Sieges wurden aber - wie immer - nicht genutzt. Schonbergs Vorschlag, noch in der Nacht zum Guadiana zu marschieren und den Feind vor dem Übersetzen abzufangen, wurde unter dem Vorwand abgelehnt, die Lebensmittel und notwendigen Fuhrwerke würden nicht ausreichen. Hier wird aber auch mal wieder die Plünderungsgier der chronisch knapp gehaltenen Soldaten eine Rolle gespielt haben, gegen die kein Kraut gewachsen war. So blieb nur der Rückzug nach Estrémoz.

 

Am Abend des 18. Juni 1665, um 19 Uhr, gelangte der Bruder des Staatsministers, Simão de Vasconcelos e Sousa, in Lisboa mit der Siegesnachricht an, wo zuvor noch große Bestürzung wegen der Fehlmeldung einer Niederlage herrschte. So konnten am 19. Juni der König mit dem Infanten D. Pedro und dem ganzen Hofstaat aufatmen und ein feierliches Te-Deum in der Hofkapelle zelebrieren lassen. Drei Tage lang wurde Lisboa von seinen Bewohnern des nachts mit Kerzen und offenen Feuern beleuchtet. Am 26. Juni schrieb der König voller Freude einen Brief an sein Volk und die Vorstände der Landkreise in den Provinzen:

 

„Auch wenn ihr die Nachricht vom Sieg schon bekommen habt, den Gott diesem Königreich in der großen Schlacht von Montes Claros verliehen hat und Ich auch schon von euren Freudenfeiern darüber erfahren habe, wofür ich euch sehr danke, möchte Ich mit der ganzen Freude, die dieser Erfolg in Mir ausgelöst hat und die sich immer noch zu vermehren scheint, über dieses Schreiben mit euch in Verbindung treten, denn als meine Vasallen habt ihr diese Korrespondenz verdient.

Die Schlacht dauerte sieben bis acht Stunden und verlief so zäh, wie man es sich kaum vorstellen kann, hatte doch der König von Kastilien in seinem Heer die erlesensten Hauptleute und Soldaten aufgeboten und nicht nur aus den spanischen Landen und anderer seiner Domänen, sondern auch aus dem Reich und anderen befreundeten Fürstentümern.

Dennoch hat die glorreiche portugiesische Nation alles gewonnen und es ist gewiss, dass ganz Europa, an das der kastilische König seine Beteiligungsaufrufe für diese Kampagne gerichtet hatte und angesichts der Sicherheit, mit der seine Verbündeten schon von den geplanten Eroberungen gesprochen haben, sich nun seines Bankrotts bewusst wird und die Stabilität dieses Königreiches anerkennen muss.

Dies alles verdankt sich dem Eifer, dem Opfermut und den Gaben seiner Menschen. Zu dieser Anerkennung werde Ich immer stehen und bewirken, dass auch Meine Nachfolger sie beibehalten, denn dem Volk gebührt diese Ehre und Gnade wirklich. Gebe Gott, dass der Feind über vielfache Enttäuschungen nun einzusehen beginnt, dass es ihm besser bekommt, uns den Raum zu lassen, in dem wir das Glück des Friedens genießen können, für den wir arbeiten. Und wenn er in seiner Widerspenstigkeit verharrt, dann wir Portugal die Kraft nicht fehlen, noch viele weitere Male zu obsiegen.

Ich empfehle euch weiterhin dem Segen Gottes, unseres Herrn, der in seiner unendlichen Güte uns unter seinen Schutz stellt und sende euch diese Kopie meines Briefes an die Câmaras dieser Comarca, weil die vielen Arbeiten nicht die Zeit lassen, um dies alles allen in der erwünschten Eile zu schreiben; aber ihr habt wohl die gute Gesinnung verstanden, aus der ich zu euch allen, die Ich hoch schätze, spreche.

Geschrieben in Lisboa am 26. Juni 1665. Der König.“

 


Ein ausgewiesener Militärfachmann und Militärhistoriker, der ehemalige NATO-General Gabriel Espírito Santo bewertet die Schlacht von Montes Claros

 

Zeitgenössische Beobachter erzählten, dass während der Schlacht wenig Feuerwaffen betätigt wurden und dass nach Kampfbeginn generell die Blankwaffen gezogen und Mann gegen Mann gekämpft wurde. Von daher kommt es, dass es in dieser Schlacht relativ viele Tote und Verletzte gab, bezifferbar mehr als in dieser Epoche üblich.[5] Es war auch eine Schlacht mit einer erhöhten Zahl von Gefangenen und Beutestücken.

 

Dieselben Beobachter hoben auch den Wert der Elemente der portugiesischen Streitkräfte und ihrer Kommandierenden hervor, vor allem den Marquês de Marialva an der Spitze der Infanterie und den Conde de S. João. Beim Conde de Schonberg hebt der Marquês de Noirmoustier, ein Ausländer, der ihn die ganze Schlacht hindurch begleitet hat, seine Kaltblütigkeit und Kampfwahrnehmung hervor, auch dass er in jedem Moment die Möglichkeiten der Geländeeigenschaften, die Reichweite seiner Mittel und die Schwachstellen des Feindes schnell erfasste.

 

Weil die Gegner zum Kampf aufeinander stießen, gab es nicht viele Möglichkeiten, sich das Schlachtfeld auszusuchen. Der Marquês de Caracena hatte etwas bessere Chancen, die Vorteile des Geländes zu nutzen; er konnte, vom Gegner nicht einsehbar, das Gelände für die Schlacht aussuchen. Aber Schonberg zeigte große Flexibilität, die portugiesischen Pläne an denen des Gegners auszurichten. Die erlaubte es, während der gesamten Kampfhandlungen, die eigenen Mittel abwägend, jeweils an der am meisten bedrohten Front zu investieren, dadurch die Initiative zu behalten und so die Planungsentscheidungen der Spanier stets unter Druck zu halten.

 

Die portugiesischen Streitkräfte entfalteten große Fertigkeiten in der Handhabung der Kampfverbände – Infanterie, Kavallerie und Artillerie – ganz auf der Höhe der damals gelehrten Grundsätze, was sich dem Bemühen Schonbergs verdankt, seit dieser in Portugal war. Aber die portugiesischen Streitkräfte lehrten Schonberg auch, wie man die Artillerie im Nahkampf verwenden kann, indem man den Gegner aus circa 50 Schritt Entfernung aus Stücken direkt beschießt, die mit Kugelsäcken geladen wurden. Diese todbringende Kunst hatte man aus den Kämpfen im Orient und an Bord von Schiffen gelernt. Auch der Kampf Mann gegen Mann stellte eine Neuheit selbst für die in den Kämpfen Mitteleuropas langerfahrenen Soldaten dar.

 

Indem sie freizügig eine direkte Strategie verwendeten, um den Gegner zu bekämpfen und indem sie in gewisser Weise die indirekten Strategien der „Geiz-Kriege“ missachteten, konnten die portugiesischen Streitkräfte besser manövrieren und Gelegenheiten nutzen, die sich während der Kämpfe ergaben. Einige kritisieren das Fehlen der Entschlossenheit, den Gegner zu verfolgen. Vielleicht haben sie vergessen zu bedenken, dass die Schlacht über acht Stunden gedauert hat und dies in der Hitze eines Sommertages im Alentejo. Es war klar, dass die Truppen danach müde waren und dass ihre Kommandanten dies nicht verkennen durften.

 

Montes Claros war schon eine Schlacht mit Manövern, in denen man das Gelände nutzen konnte, um die Feuerwirkung zu verstärken und die Kavallerie in ihrer Beweglichkeit zu fördern. Die Kampfformen der portugiesischen terços (Regimenter), Schwadronen mit ihren eigenen Sicherungen in Gestalt von Arkebusiere an den Flügeln und Ecken, erwiesen sich als manövrierbarer als die schweren spanischen terços, was im nächsten Jahrhundert einem militärischen Neudenken den Weg frei machte, das dann vom Herzog von Marlborough in die Praxis umgesetzt wurde.



[1] In: Urner XXII. Histor. Neujahrsblatt für das Jahr 1916, Altdorf/Uri

[2] Heute würden Psychologen sicherlich von einer krankheitswertigen Eifersuchtsstörung sprechen.

[3] dt. Übersetzung durch den Verfasser

[4] gemeint ist: innerhalb der Zeit von acht Tagen vom Fest Sant’ António an (13. Juni)

[5] Was machte man seinerzeit mit ungefähr zwei- bis viertausend Toten, die auf einem Schlachtfeld zurückblieben? Von einem Bild aus den Türkenkriegen, die nur wenig später am südöstlichen Rand Europas stattfanden, lernt man immerhin, dass diese entkleidet wurden – aber dann? Hat man zuvor versucht, die Personalien festzustellen? Wurde nach Freund und Feind getrennt? Wer verständigte die Witwen und Waisen? Wo sind die Massengräber von Ameixial und Montes Claros zu vermuten?