In Griechenland beginnt die Jagdsaison

Auf der Strecke geblieben
Auf der Strecke geblieben

0901 Eine Woche lang wird auf der kretischen Omalos-Ebene im Zentrum der Weißen Berge eine Razzia unter dem Deckmantel „Völkerbund“ durchgeführt. Sie wird von Mjr. Friedmann mit einem verstärkten („Alpenjäger?“-) Regiment der 5. Geb.Jäg.Div. mit vorbereiteten Fahndungslisten durchgeführt. Schon während der Aktion werden 39 männliche Zivilpersonen erschossen, später nach Aburteilung durch drei Standgerichte in Paläochora, Chora Sfakion und im Zuchthaus Agia noch 110 Männer.

 

0916: Heute beauftragt Hitler den Wehrmachtbefehlshaber im Südosten, die Aufstandsbewegung rigoros niederzuschlagen und »im Gesamtraum mit den schärfsten Mitteln die Ordnung wieder herzustellen«. Am gleichen Tag erlässt Keitel, Chef des OKW, Richtlinien zur Ausführung des Führerbefehls und erklärt: »Bei jedem Vorfall der Auflehnung gegen die deutsche Besatzungsmacht muss auf kommunistische Ursprünge geschlossen werden« Er fährt fort: »Um die Umtriebe im Keime zu ersticken, sind beim ersten Anlaß unverzüglich die schärfsten Mittel anzuwenden, um (...) einem weiteren Umsichgreifen vorzubeugen. Dabei ist zu bedenken, daß ein Menschenleben in den betroffenen Ländern vielfach nichts gilt und eine abschreckende Wirkung nur durch ungewöhnliche Härte erreicht werden kann. Als Sühne für ein deutsches Soldatenleben muß in diesen Fällen im allgemeinen die Todesstrafe für 50-100 Kommunisten als angemessen gelten. Die Art der Vollstreckung muß die abschreckende Wirkung noch erhöhen«.

 

0922: In Griechenland ist Jagdsaison… Linus G. kauft sich in Chalkis eine Jagdwaffe; er lässt sie sich eben nicht schenken. Man hat ihm als Waffen- und Munitionsoffizier offenbar die Funktion übertragen, Griechen, die zur Jagd gehen wollen, zu begleiten, denn ohne diese Begleitung dürfen Griechen keine Jagdwaffen tragen. Fotos zeigen ihn selbst auf der Jagd auf dem Peloponnes zusammen mit dem Zigaretten-Unternehmer Logotetopoulos und einem anderen „Kollaborateur“ namens Papastratos. Dies ist wohl noch die moderateste und zugleich angenehmste Art, bei der Besatzung mitzuwirken.

 

Die 5. Geb. Div. macht sich für den Rücktransport in die Heimat bereit; andere Truppen werden sie als Besatzer ablösen (auf Kreta ab Juli 1943 dann die 1. Gebirgsdivision und die 22. Inf. Div. unter Müller). General Ringel bekommt von den griechischen Kollaborateuren in Iraklion den Ehrenbürger-Titel verliehen und der schönste Platz der Stadt heißt von nun an (aber nicht bis in alle Ewigkeit) „General-Ringel-Platz“. (207) Ganz im Gegensatz dazu hört man aus Dráma an der Nordgrenze von ersten regelrechten Aufständen gegen die Besatzer.

 

0928: Im Rahmen der Befriedungsversuche der deutschen Behörden werden u.a. Kreter, die arbeitslos in Athen herumlungern, zur Rückkehr und zu Arbeitsdiensten angeworben. Trotz anhaltendem Misstrauen entspannt sich die Lage etwas. Ein wirkliches Interesse an der einheimischen Bevölkerung entwickeln die Besatzer jedoch nach wie vor nicht.

 

1016: Hitler stiftet das Ärmelband „Kreta“, kann es jedoch wegen Materiallieferschwierigkeiten erst 1943 an seine Kämpfer verleihen. Auch Linus G. erhält es später und ist sein Leben lang sehr stolz darauf.

 

Im Verwaltungsbericht für Oktober 1941 beschreibt der Befehlshaber Saloniki-Ägäis diverse „Bandenüberfälle“ auf deutsche Soldaten und Anschläge auf ihre Einrichtungen. Diese seien keineswegs nur lokaler Natur, sondern im größeren Rahmen zu sehen – siehe Dráma. „Es ist zu erwarten, dass die energischen Gegenmaßnahmen ihren Eindruck auf die Bevölkerung nicht verfehlen werden…“ Im Oktober 1941 seien 422 Griechen erschossen und weitere zehn gehängt worden. Hinzu kämen vier Vollstreckungen von Todesurteilen der Kriegsgerichte. Außerdem seien drei Dörfer völlig niedergebrannt und 63 Griechen als Todeskandidaten in das von der Wehrmacht errichtete und verwaltete Konzentrationslager - das erste auf griechischem Boden - eingeliefert worden.

 

Nach einer Tagesmeldung des Wehrmachtbefehlshabers Südost, List, an das OKW vom 18. Oktober 1941 brennen Wehrmachtseinheiten (vermutlich der 164. Infanteriedivision) zwei Dörfer an der Strymon-Mündung nieder und erschießen 202 Personen. Am 25. Oktober 1941 brennen Soldaten derselben Division zwei Dörfer nordöstlich von Thessaloniki nieder und erschießen alle angetroffenen männlichen Bewohner im Alter von 16 bis 60 Jahren, insgesamt 67 Personen. Frauen und Kinder werden umgesiedelt.

 

1027: Klara in einem Brief an ihre Schwägerin: „Wie Du siehst, bin ich immer noch auf den Füssen mit samt klein Volker – Ingrid. Was das aber für ein Warten ist, kann nur das verstehen, das eine ähnliche Lage schon mitgemacht hat. Mir ist es ja nur um meinen lieben Linus. Manchmal wird er doch fest in’s Schwitzen kommen. So weit von der Heimat entfernt u. immer noch keine befreiende Nachricht! Ich kann aber diesem Zustand durch mein Hinzutun leider kein früheres Ende machen, als die Natur vorgesehen hat. Warten und Geduld war von jeher immer unser Losungswort. Aber dieses Warten zieht an den Nerven. – Will sehen, wann es dem kleinen Erdenbürger mal „angenehm“ wird. Dem behagt es halt ganz besonders bei seiner Mama, die so viel Wärme hat.“ Sie möchte zu gerne ihre Schwägerin besuchen, doch „Jetzt hält mich dann mein kleiner Schneck, unser Stramplerle, wenn er endlich mal ankommt! Alles steht schon lange bereit.“ Und zum Schluss „Halte den Daumen zum guten Ausgang meines Zustandes, damit ich meinem geliebten u. liebsten Linus gesund bleibe u. ihm ein gesundes Kind schenken darf, auf das er sich so riesig freut.“

 

1104: Die 5. Geb. Div. wird nach 8-monatigem Einsatz zur Auffrischung in die Heimat befohlen und verlässt an diesem Tag Saloniki. Linus G. ersteht dort noch ein schönes Stück rotgegerbtes Ziegenleder, einen Musselin-Kleiderstoff für seine Frau und führt auch das Jagdgewehr mit sich. Zuvor hat man sich noch den Isthmus von Korinth und Mykene angesehen. Auch Soldatenfriedhöfe lässt man hinter sich.

 

Anders als auf dem Herweg geht es nun den Axios/ die Warda entlang hoch nach Skopje. Am 06.11. ist man in Nisch, am 07.11. in Belgrad. Am 10. 11. kommt Volkerle zur Welt. Die Nachricht erreicht den Vater in Kitzbühel, der aber nicht gleich kommen kann, da er sich beim übermütigen Skifahren den Fuß verstaucht hat. Erst Weihnachten ist er endlich wieder in der Heimat.