Ganz Europa im Algarve

Die touristische Erschließung der algarvischen Felsen- und Sand-küste begann nach der Jahrhun-dertwende und nahm einen seiner Ausgangspunkte von Praia da Rocha/Portimão. Wohlhabende portugiesische Familien kamen zur Sommerfrische und bauten sich vereinzelt Landsitze auf den Klip-pen am Meer. Dazu gesellten sich im Winter auch einige sonnen-hungrige Engländer. Noch 1936 war das "Bela Vista" das einzige Hotel in Strandnähe weit und breit, zur Stadt kam man mit Pferde-droschken und man traf sich dort im einzigen Casino. Nach dem Krieg, in den 50er-Jahren soll ein deutsches Indus-triellen-Paar dort seine Flitterwo-chen verbracht und 1960 darauf-hin in hervorragender Lage sich eine eigene Villa errichtet haben[1]. Einheimische tauften den Strand dann "Praia do Alemão".

 

Als Salazar für seine Kolonialkriege Geld brauchte, besann er sich auf die touristische Erschließung des Algarve. Da er aber auch „sein“ Portugal schön fein zusammenhalten und von  international verbreiteten, liberalen Tendenzen unbeeinflusst bewahren wollte, entschied er sich für Luxustourismus. Hohe Preise garantierten, dass aufgeklärter Mittelstand und sozial unruhiges Proletariat draußen blieben. Salazar wollte aus dem Algarve so etwas wie die Schweiz Südeuropas machen. 1966 eröffnete in Konsequenz dieser Politik das Hotel "Penina", zwischen Lagos und Portimão am Strand von Alvor gelegen, und 150 ha Reisanbaufläche wurden in einen ersten Golfplatz verwandelt. Paul McCartney war damals dort und sorgte für Publizität und mit einem Lied für Sympathie. Nach der "Nelkenrevolution" dienten diese pompösen Anlagen vorübergehend zur Unterbringung der Heimkehrer aus den überseeischen Kolonien (retournados). Nach der politischen Umbruchsituation zogen aber wieder gut zahlende Urlauber ein.

 

Zur Popularisierung und Verbreiterung des Besucher- und Siedlerspektrums trugen zwei Umstände bei. Im August 1965 wurde der Charter-Flughafen Faro eröffnet, und es bestand inzwischen ein Überangebot an Grundstücken, die vor allem Briten gehortet hatten. Ohne einen Gesamtplan zur Bebauung der Region ließen die Behörden nach der Revolution ein wildes Bauen auf wackeliger Rechtsgrundlage zu. Wenn schon jemand ein Hotel bauen durfte, war dies Grund genug, auch noch selbst eines daneben setzen zu dürfen. Erst Mitte der 80er-Jahre besann man sich auf die überall sichtbaren und irreversiblen Bausünden und erließ eine Reihe von erschwerenden Auflagen: 200 m Bauabstand zu Küste und Strand, nicht höher als vier Stockwerke usw.), doch die Kontrollen waren nicht strikt genug, so dass der Bettenbau hemmungslos weiter ging. 1991 sollten die betroffenen Gemeinden bei einer Koordinierungskommission Bebauungspläne einreichen. Die Kommission zögerte aber alle Entscheidungen hinaus, da sich herausstellte, dass auf der Basis schon genehmigter Bauvorhaben, die die Gemeinden in ihrem Drang nach Wachstum und Einnahmen auch verwirklichen wollten, die Küste vollends zugebaut würde. 1993 wurden durch Gesetz alle bisherigen Baugenehmigungen wieder aufgehoben, um endlich eine Gesamtplanung zu ermöglichen. Diese wurde bis heute nicht wirkungsvoll in Kraft gesetzt.

 

Menetekel Mallorca. Lange Zeit wollten es die wachstumsverwöhnten Touristik-Konzerne und ihre Fluggesellschaften nicht wahr haben und doch muss jetzt jeder klar sehen, dass das bisher einträglichste Sommer-Reiseziel Mallorca wegbricht. Zu offensichtlich wurden auch die Missstände für die einfachen Urlauber mit Billigarrangements: Verbaute und durch überlastete Kläranlagen verschmutzte Strände, zersiedelte Natur weiter Insel einwärts, Trinkwassermangel und Gießwassernot durch Überbeanspruchung und Verschwendung der Ressourcen, Mängel in der Stromversorgung, Verkehrsverstopfungen durch ein Überangebot an Mietwagen, Müllentsorgungsprobleme (trotz Verbrennungsanlage) und dergleichen mehr.

 

Gottseidank, rufen besorgte Einheimische aus, bleiben die Touristen jetzt aus, denn das Verhältnis zwischen beiden betrug zuletzt noch 1:13; 600.000 Einwohner mussten sich die Insel in der Saison – und die dauert relativ lange - mit gut 8 Millionen Besuchern teilen. Für die Insel Mallorca könnte es ein Segen sein, wenn diese Massen von Touristen wirklich ausblieben, denn nur so könnten sich mediterrane Natur und einheimische Kultur wieder erholen und für nüchterne und sensible Menschen wieder attraktiv werden.

Darüber hinaus versuchte die neue Koalitionsregierung der Provinz der Balearen (die im Juli 1999 die 16-jährige Vorherrschaft der konservativen Volkspartei gebrochen hat), dem Naturverbrauch mit einer Ökosteuer (1 Euro/Kopf/Tag) beizukommen und Qualitäts-Tourismus zu fördern. Der Weg zu einem wirklichen Öko-Tourismus ist jedoch noch sehr weit und beschwerlich, wenn – wegen der umweltbelastenden Flugreise – überhaupt davon gesprochen werden darf. Als die konservative Partei wieder zum Zuge kam, war von einer Ökosteuer war nicht mehr die Rede.



[1] nach einem Bericht von Kirsten Wulf, S. 226-228,  in „Portugal“, Rowohlt: Reinbek, 1995