Wie ist dieses Land entstanden?

Der Teil der Erdkruste, der den Algarve ausmacht, "ruht" auf einer Zone, in der sich die afrikanische und die iberische Platte auf Kollisionskurs bewegen. Dies bringt eine erhöhte seismische Aktivität mit sich. Diese oberste Kruste, auf der wir im Urlaub weilen, ist viele Kilometer stark und nichts anderes als ein Becken voller Meeressedimente, das sich gehoben hat, an manchen Stellen von Vulkanismus durchdrungen wurde und ständiger Abtragung unterliegt. Für den Unkundigen ist es vielleicht nur schwer vorstellbar, dass der feste Grund, auf dem wir den Algarve bereisen, aus nichts anderem besteht als aus Ablagerungen riesiger Meere. Tatsächlich haben in den verschiedensten Erdzeitaltern (besonders prägnant vor 300 Millionen Jahren) verschiedenste Meere (als Vorläufer des heutigen Atlantiks) Böden durch Ablagerungen gebildet, vornehmlich aus Ton, Kalk und Sand. Die ältesten Schichten treten an der Westküste zu Tage (z.B. am Cabo Sardão). Auch riesige Salzstöcke haben sich (z.B. bei Loulé) gebildet, die mit heutiger Technik gut geortet werden können. Um Faro herum haben diese Sedimente eine Stärke von bis zu drei Kilometern.Erwähnenswert sind noch die Grauwacken, die manchmal den Tonschiefer des algarvischen Mittelgebirges durchdringen. Dieses Gestein ist grau, sehr dicht und klingt hell, wenn man Stücke gegeneinander schlägt.

 

Wie ist dieses Land entstanden?

 

Dazu müssen wir bis ins Erdaltertum zurückgehen. Geologen sprechen vom Hesperischen Sockel, der sich in der herzynischen Phase ausformte, als sich „Portugal“ mit der umgebenden Baltischen Scholle“ noch leicht unterhalb des Äquators befand. Dieses ist heute noch an den Quarzit-Kämmen zu rekonstruieren, die in ganz Portugal verteilt von Südosten nach Nordwesten ausgerichtet anstehen. Über einen dieser zum Fluss querstehenden, harten Riegel aus dieser Urzeit konnte das ständig nagende Meer von Süden her nicht vordringen, was zur Entstehung der Schlucht und des Wasserfalls von Pulo do Lobo nördlich von Mértola beigetragen hat.

 

In diesem alten Sockel wechseln sich durch Druck und Hitze metamorphisierte Sedimente (Tonschiefer und Grauwacken) ab mit von unten eingedrungenen Graniten unterschiedlichster Zusammensetzung. Dieses teilweise damals schon abgetragene Gefüge zerbrach zu Beginn des Erdmittelalters (vor 250 Mio Jahren); die Bruchlinien ziehen sich auch heute noch durch ganz Iberien und bewirken erhöhte seismische Aktivitäten, immer dann, wenn die alte Gondwana-Scholle, die unter die Laurussische Scholle gedrungen ist, reibt und zerrt. Andere, inzwischen auseinandergedriftete Teile aus dieser Zeit sind nur noch in den nordamerikanischen Appalachen, in Mauretanien und auf den Britischen Inseln zu finden.

 

Vor 200 Mio Jahren bildete sich auch die heutige Westküste dadurch aus, dass sich ein langer, enger Trog in Nord-Süd-Richtung mit Meerwasser füllte. Da dieser Trog lange Zeit von weiterer Zufuhr abgeschlossen blieb, bildeten sich riesige Salz- und Gipslager. Erst nachdem das Meer wieder breit eindringen konnte, kamen die ersten Kalkschichten oben drauf. Später im unteren Trias und im Tertiär setzten sich mehr oder weniger tonige Sande ab, abgesehen von den mächtigen Kalkbänken aus dem Jura und der Kreide,  die sich vor 150 Mio Jahren bildeten, als die Alpen logischerweise noch nicht aufgefaltet sein konnten.

 

Die Gletscher der Eiszeiten, schließlich, haben in Südportugal keine abtragende Rolle spielen können, wohl hat aber das Absinken des Meeresspiegels um bis zu 100 Meter die damaligen Küsten geformt, vor allem dort, wo Flüsse mündeten. Inzwischen hatten sich nämlich die Flüsse tief eingegraben, um sich ins Meer entleeren zu können (rückschreitende Erosion), doch als das Meer wieder kam, konnte es bis tief ins Land hinein angreifen und breite Deltas bilden.

 

Würde man nun diese geschilderten Ereignisse im Zeitraffer aufnehmen können, würde man über das Chaos sehr erschrecken, das dieses Land einmal durchgemacht hat, um nun für menschliche Touristen höchst angenehm und geeignet zu sein…

Tektonik und Erdbebenzonen

Südportugal ist erdbebengefährdet, denn das Gebiet hängt geologisch mit der Störung zusam­men, die auch Lissabon betrifft und dort 1755 das See- und Erdbeben verursacht und damit ganz Europa aufgewühlt hatte. Es traf in die Zeit der Aufklärung, in der man optimisti­sch begann, sich die Natur als etwas Ordentliches und generell von Men­schen Beherrschbares vorzustellen.[1] Auch der kleine Ort Quelfes bei Olhão, dem Verfasser dieser Schrift näher bekannt, liegt beispielsweise in einer seismi­schen Zone; die Störungslinie verläuft von der Ortsmitte der Straße ent­lang bis Laran­jeiro. (Ausländische Häuslesbauer, aufgepasst! In die Hausversicherung sollte unbedingt auch das teure Erdbebenrisiko eingeschlossen werden.)

 

Droht die "Große Flut"?

Immer wieder schreiben "Eingeweihte" über eine un­ermessliche Katastrophe, die das südliche Portugal einmal ereilen wird[2]. Es steht in den Sternen und wurde schon immer geweissagt: Eine viel­leicht 50 m hohe Wasserwand wird vom Atlantik daherkommen, wie gesagt, keine Welle nur, die nach ihrem Kamm wieder abflacht, nein, das ganze Meer kommt mit ungeheurer Wucht daher und nimmt das algarvische Küstenland un­ter seine Gewalt. Auch ohne die Astrologie zu bemühen kann man zu solch ungünstigen Prognosen kommen. Es gibt Argumente für einen Polsprung des Erdballs, der unermessliche Schaukelbewegungen der Wasseroberfläche nach sich ziehen würde, und es gibt immer die Wahrscheinlichkeit für tektonisch bedingte Seebeben, die ähnliche Konsequenzen haben würden. Auch bei der an Kaliforniens Küste erwarteten Katastrophe könnten Flutwellen auf das Land hereinbrechen. Vielleicht hilft - wie schon oft - das Beten einiger Frommer, um dies von uns al­len abzuwenden? Aber waren es nicht auch Beter, die am Allerheiligentag 1755 in Lisboa aus der Kirche traten, nur um in diesem Moment von der Meeresflut, die wie Leviathan selbst den Tejo hoch kam, mitsamt ihrem Hab und Gut hinweggerissen zu werden?

 

Am Sonntag, den 22. 08. 1999 gegen 11.30 Uhr sahen mehrere Schiffsbesatzun-gen vor Portimão eine seltsame, riesige Wellen-front am gesamten Horizont in großer Entfernung. Sie alarmierten die Capitania des Hafens von Portimão, worauf der Verantwortliche Reis Luís nicht lange zögerte und alle Strände der Algarveküste von Badegästen evakuieren ließ. Anfangs wollte kein Badegast an die tödliche Gefahr glauben; erst als die Polizei mit Megafonen auf die Massen einrief, entstand eine kaum regelbare, panikartige Massenflucht. Krankenhäuser, Zivilschutz und andere Stellen wurden in Alarm-zustand versetzt, der Flughafen von Faro bekam keine Start- und Landeerlaubnis mehr. Gegen 14:30 Uhr wurde die katastrophale Kunde endlich auch den Bade-gästen von Strandwächtern im Laufschritt zugetragen, die sich im Sotavento auf den Inseln verlaufen hatten. Hätte es sich nicht nur um eine hitzebedingte Fata Morgana und somit um einen falschen Alarm gehandelt, wären die Badegäste samt weißuniformierten Strandwächtern längst Opfer der „tsunami“ geworden, wie man von Seebeben ausgelöste Riesenwellen im pazifischen Raum nennt. (Die Katastrophe vom zweiten Weihnachtsfeiertag 2004 im Indischen Ozean lehrt dazu so manches.) Stattdessen gab es Verkehrsunfälle durch übererregte Fahrer, die auf die E.N. 125 wollten und sich dort in Sicherheit wähnten, nicht bedenkend, dass auch sie keine Barriere gegen eine 25 m hochwuchtende Flut-welle bieten kann.  Die Meteorologen hingegen wurden zu keiner Zeit befragt, sie hätten auch über kein seismisches Ereignis an diesem Tag, zu dieser Stunde und Minute berichten können.  Bestenfalls kann man das Ganze als eine Zivilschutzübung verbuchen, aus der es einiges zu lernen gilt.


[1] Eine schöne Studie darüber hat Horst Günther verfasst, Das Erdbeben von Lissabon. Wagenbach, Berlin, 1994.

[2] Das Erscheinen dieser revidierten Zweit-Auflage in relativ trockenem Zustand zeigt an, daß wir – vorerst - noch einmal verschont wurden.