Aus „Alter Gesang“

 

Die Sprache, mit der wir Europa besingen, gehört zur
sehr alten Gemeinschaft der Zungen von Indus
bis Tagus, gemeinsam verwurzelt, dann eigens entfaltet
im näheren Osten seit tausenden Jahren.

Das Licht bringt Erleuchtung und Leben vom Orient her,
quert segnend das Land, den Atlantik vor Augen.
Als Prachtstück vor Asiens Weiten erscheint uns Europa,
mit wucht‘gen Gebirgen, an Flüssen und Auen reich.

Aus Sage und Schrifttum der alten Phönizischen Völker
Europa als Bild und Begriff ist erschienen:
Die Tochter des Königs aus Tyros macht Zeus sich gefügig,
entführet Prinzessin Europa nach Kreta.

Verzaubernd wirken Märchen, Mythen, Glauben;
erst Logos Ängste wegscheucht unter (den) Hauben.
Der Sonne Helle Wahrheit stets zu Tag bringt.

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Dank Mönchstum allein bleibt moralisch Kredit noch
der Kirche, erlaubend dem Papst, nun zu fordern,
dass er nur den Hochklerus einsetzen kann. Doch
Canossa dem Anseh‘n der Kaiser nicht gut tut.

Zu Worms wird beendet der leidige Streit um den Vorrang  
von dies- oder gar jenseitig  gründender Herrschaft.
Gleichauf und dogmatisch gelöst, nach bewährt römischen Regeln
befreit logisch Denken gebundene Kräfte.

An Höfen Europas klingt Troubadour, Minnesang an
von Walter und Oswald, wie Alfons und Bertran.
Zu Lieb und zu Weh ihrer Zeit viele Klagen sie führen:
Vasallen die Treue des Lehnsherrn erflehen.

„Ich hân mîn lêhen, al die werlt, ich hân mîn lêhen.
nû enfürhte ich nicht den hornunc an die zêhen,
und will all‘ boese hêrren deste minre flêhen.“

 

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Aus „Moderner Gesang I“

 

Hume zweifelt am Anspruch auf Wahr- und Gewissheiten, spricht von
Wahrscheinlichkeit eher; doch Anspruch auf Glück gäb’s.
Rousseau National-Charaktere im Grunde bestreitet ;
Europäer trennt wenig - dies wäre erlebbar.

Schon länger treibt Zwecksinn Manufakturen flott an,
erzeugt ohne Hemmung viel Wirtschaftsdynamik,
gegründet auf technischem Wissen und - Arbeiternot auch.
Vergoldet Vergang‘nes bringt Sehnsucht hervor.

Erschöpft dann die Arbeitskraft, Not ist und Elend en masse;
die Herrscher, Magnaten sind blind für‘s Gemeinwohl.
Der Unmut des Volkes bricht aus in Neu-England, Franzosen
steh’n auf gegen Missbrauch und Unstern bei Hofe.

Wie Christus kein Christ, war Marx kein Marxist(e);
in früher’n Jahren war er Humanist(e).
Macht Mut, vereint die „worker“ nationübergreifend.

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 Aus „Modener Gesang II“

Reformen versäumend verkriselt Europa bis heute
mit kränkelndem Euro, Migranten und Brexit...,
kaum endenden Mühen, die Griechen zu halten; statt ihrer
errettet verdeckt man der Banken Kredite.

Gen Steuervermeidern ist Duldsamkeit weithin verbreitet,
die Jugend in Massen ohn‘ Arbeit - tolerabel.
Es mangelt weithin an solidarisch-sozialer Gesinnung
im Klima und Denken der ungeregelten Märkte.

Auch übel der Ruf, den Europa sich zuzieht, die Werte
der Menschenrechts-Charta fortwährend verletzend.
Das Feilschen um Aufnahme Zuflucht Suchender, diesen
zuvor schon nicht hilfreich am Ort ihrer Abkunft.

Ein Schiff wird kommen, hundertfach Elend an Bord,
dem Tod entronnen, finden sie keinen Port.
Welch Armutszeugnis! Idee und Wirklichkeit klaffen...

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Aus „Europas Liedvortrag (Europa erwacht, doch...)

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Erschöpft und enttäuscht sank ich unlängst in Schlaf.
Da träumt‘ ich zuerst noch vom Getöse des Kriegs,
doch dann trat ein Denker auf mit diesem Plan,
Konflikte nach Regeln auf Dauer zu stell‘n
und fruchtbar zu machen für neue Ideen
und Wege, Europa zu bilden als Bund.
Da erwacht‘ ich und fand – nichts wie raus dem Teufelskreis!

Verwirrt und bestürzt ich mich selbst nun befrag‘
erliegt mein Europa der Bürger einem Betrug?
Wohl unreif die national fixierten Häupter sind,
ihr Wankelmut, Souv‘ränität zu teilen, die Furcht
die Macht zu verlieren bei Wahlen, obgleich
der Mensch nur gut‘s Leben hat zum obersten Ziel!
Von jetzt an bleib wach ich bis steht  - die Eurovision!