Die Situation in Machelberg und in der Dampfsäge

Machelberg

 

Da sie ihren 8jährigen Sohn Ludwig M. suchen musste, der von dem Kriegsspektakel um Machelberg herum fasziniert war und ihm nachgelaufen war, wurde eine Frau aus Machelberg (13) Augenzeugin des Geschehens am Bahndamm. Von ihrem Jungen, später als Augenzeuge befragt, stammt die Beobachtung von Kokarden an den Flugzeugen. Zu dem Zeitpunkt, als die beiden in der Nähe in Begleitung eines polnischen Zwangsarbeiters ankam, standen schon beide Züge durch Fliegerbeschuß blockiert da. Die Soldaten und Flakhelferinnen des Militärzuges waren am Flüchten und jüdische KZ-Häftlinge lagen schon tot herum, ein furchtbares Chaos mit schrecklichen Bildern: Einige Tote lagen nackt, einer kauerte im Schutz der Räder und machte sich über einen Marmeladeneimer her, alle waren durch Hunger, Typhus und alle anderen Stra­pazen grausam zugerichtet.

 

Der Ortsteil Machelberg hat viel über sich ergehen lassen müssen. Auch hier zogen in den letzten Kriegstagen tausende von ausgemergelten Gestalten durch. Ihnen durfte ebenfalls kein Wasser gereicht werden; sie wurden immerfort ge­schlagen und weitergetrieben. Hier hielten sich auch zwei jüdische Frauen ver­steckt. Ein polnischer Arbeiter nahm es auf seine Kappe, sie auf einem Scheunenboden mit Kaffee und Brot zu versorgen. (Diese Frauen haben überlebt und kamen später als zwei außerordentlich attraktive Frauen wieder, um sich für die Rettung zu bedanken.) Hier kam am Abend auch einmal ein total verschwitzter, typhus­kranker Jude an. Man bot ihm zu Essen an, doch er war so gewitzt, nur warmes Wasser zu erbitten. Man beschrieb ihm den Weg durch den Wald nach St. Ottilien, wo er dank seiner Selbstkontrolle wohl überlebt hat.

 

Hier hielt mitten im Hof auch ein Militär-Lkw mit Sprengmaterialien aus Kaufering an und das, während der Hof beschossen wurde! Sie hatten die Kauferinger Brücke vor den anrückenden Amerikanern nicht mehr sprengen können. Der Wagen wurde umgeladen und das neue Fahrzeug fuhr weiter nach Stegen, um dort die Amperbrücke zu sprengen. Seltsam dabei ist nur, dass die Offiziere sich zuvor ihre Silberabzeichen und Streifen abmachten, in den Aschenkasten warfen und sich absetzten. Die einfachen Soldaten beklagten sich, dass sie nun ihren Kopf hinhalten müssten.

 

Hier kam es einige Zeit später, nach der Befreiung, schließlich auch zu schlim­men Erfahrungen mit drei der vier polnischen Zwangsarbeiter. Abgesehen davon, dass sie Wertgegenstände und Wäsche mitnahmen, ehe sie ins für sie geschaffene Lager Igling gingen, kamen sie in jüdischer Häftlingskleidung wieder und überfielen ihre ehemaligen Herrschaften mit Waffengewalt. An der zuvor gestohlenen Wäsche waren sie trotz Tarnung wiederzuerkennen. Wenn nicht zufällig amerikanische Soldaten vorbeigekommen wären, vor denen sie ausrissen, wäre die ganze Fa­milie erschossen worden. Ein gefasster Pole sagte noch: "Meine Mutter starb auch durch deutsche Hand!"

 

Dampfsäge

 

In der Dampfsäge bei Schwabhausen (die drei Häuser gehören heute zum Weiler Gemeindeteil Geretshausen) wohnten die beiden Familien Fichtel und Hipp. Die drei Frauen, die damals allein die Anwesen betreuten, waren im besonderen Maße von den Wirren der letzten Kriegstage betroffen. Sie lebten in unmittelbarer Nähe der Straße und des nach Beschuss liegengebliebenen Judentransportes. Kaum war die Flak-Einheit im Anwesen Fichtel (heute: Schreinerei Hipp) abgezogen, näherten sich vorsichtig ungefähr 15 noch gehfähige, flüchtende Juden, allesamt Männer, und versuchten, einen Unterschlupf zu finden. Die damals 36-jährige Frau Anni Hipp, Schneiderin von Beruf, brachte es nicht übers Herz, diese armen Gestalten weg­zuschicken und versteckte sie in der "Júche" der Scheune, einem Ort knapp un­terhalb des Dachfirsts, dessen Boden lediglich aus runden Baumstämmchen bestand. Nachts brachte sie ihnen heimlich zu essen; eine Verständigung in deutscher Sprache war möglich, doch gab es kaum etwas zu diskutieren. Es ging ums nackte Überleben nicht nur wegen der Gefahr für beide Teile, entdeckt zu werden, sondern zum Beispiel auch deshalb, weil den Untergeschlüpften die gute Kost nicht bekam; sie mussten sich laufend erbrechen und bekamen Durch­fall. Erst nach dem Eintreffen der Amerikaner wurden diese Juden in die Küche geführt. Man gab ihnen eine Verpflegung mit auf den Weg und sie kamen ins Sammellager St. Ottilien.

 

Das Eintreffen der Befreier sollte aber erst recht zu einer Zeit furchtbaren Schreckens werden. In mehreren Wellen zogen Mannschaftsteile ohne Führung plün­dernd und vergewaltigend durch die Anwesen. Zuletzt kamen sechs braunhäutige Nordafrikaner der französischen Armee wieder, denen es besonders darauf ankam, die Einwohner zu erschrecken und zu demütigen. Vorgesetztes Essen wurde einfach wieder zum Fenster hinausgeworfen. Wie durch ein Wunder blieb der jungen Frau, die in Todesängsten lebte, das Schlimmste erspart. Im Nachbarort Ramsach dagegen sei ein Bauernmädchen von solchen Gruppen vergewaltigt worden.