Portugal in Abhängigkeit von England

Portugal und England unterhalten das älteste diplomatische Bündnis Europas. Die erste Allianz mit England reicht bis ins Jahr 1387 zurück, als João I. sich mit Philippa von Lancaster verehelichte. Portugiesen und Engländer sicherten sich im Vertrag von Windsor neben einer „ewigen“ Freundschaft auch gegenseitige Unterstützung in vielen weiteren Punkten zu, etwa militärischer und wirtschaftlicher Art. Aber auch schon vorher gab es manche wichtige Verbindungen. So weiß man von einem Bischof Gilbert of Hastings, der in Lissabon die römische Liturgie der Kathedrale von Salisbury einführte, die noch bis 1536 in Gebrauch war.

 

Neben dynastischen Verbindungen und strategischen Militärbündnissen kam es auch über die vielfältigen wirtschaftlichen Beziehungen (bei denen Portugal ausgebeutet wurde!) zu vielfältigem Kulturaustausch. Dass Portugal als damals ärmstes und rückständigstes europäisches Land 1986 in die damalige EU nur durch den Beistand und als 600-jähriger "Alliierter" Großbritanniens aufgenommen wurde, erscheint plausibel. Frankreich und Deutschland als treibende Kräfte hatten kein großes Interesse an Portugal, das außerdem für das "perfide Albion" nur eine Spielkarte in seinem strategischen Bestreben schien, die politische Integration mit damit einhergehenden nationalen Souveränitätseinbußen zu verhindern. Durch den Fall der Mauer in Berlin und den Einbruch des europäischen Ostens nahm aber alles eine andere Richtung und so wird auch Portugal unter einer konservativen Regierung einer politischen Union zustimmen, wenn auch erst "nach dem Jahr 2000".

 

England und Spanien waren oft und heftig in Kämpfe um die Oberhoheit auf See verwickelt. Die Zerstörung der spanischen Armada war auch fatal für Portugal, als es 60 Jahre lang, von 1580 - 1640 unter spanischem Regime stand. In dieser Zeit zerstörte Franics Drake zum Beispiel die algarvischen Küstenstädte. 1667, als Portugal wieder portugiesisch, nämlich von den Braganças regiert wurde, trug sich zwischen England und Frankreich etwas zu, was Portugal in eine selbstschädigende, abhängige Rolle gegenüber England brachte. England unterband aus Protest gegen die Schutzpolitik Frankreichs die Einfuhr französischer Weine. Portugal, das gerade Verluste in den Geschäften mit Brasilien gemacht hatte, sah darin eine Chance, wieder zu Geld zu kommen, indem es Wein lieferte. Im Methuen-Vertrag von 1704, benannt nach dem raffinierten englischen Sonderbotschafter, wurde beispielsweise vereinbart, dass Portugal Wein aus dem Dourotal liefern durfte und dafür englische Tuche abnehmen musste. Folge war einmal, dass der Anreiz für eine eigene Textilindustrie entfiel und zum anderen, dass die portugiesischen Bauern statt Getreide und Gemüse nur noch Wein anbauten, und dies hatte wiederum zu Folge, dass die Preise für Wein zerfielen, Getreide hingegen aus England zu hohen Preisen eingeführt werden musste. Das daraus entstehende Handelsdefizit konnte gerade eben mit dem brasilianischen Gold ausgeglichen werden, im Lande selbst brachen aber Hungersnöte aus, denn das Gold aus Brasilien wurde sozusagen an Portugal vorbei direkt nach London zum Ausgleich der Außenhandelsbilanz befördert. Man kann sogar sagen, dass Brasilien auf indirekte Weise so zu einer britischen Kolonie wurde. Allerdings bewährte sich der Vertrag für Portugal schon im Spanischen Erbfolgekrieg, an dessen Ende 1713 Portugal seine Grenze gegen Spanien (bis auf Olivença) halten konnte.

 

In den napoleonischen Kriegen war durch eine Absprache zwischen Frankreich und Spanien Portugal schon aufgeteilt und wäre verloren gewesen, wenn nicht britische Truppen dreimal die napoleonischen vertrieben hätten. Als 1811 eine englisch-portugiesische Armee die napoleonische Armee bei Coimbra letztlich schlug, hatten es die Engländer aber nicht eilig, wieder abzuziehen. Sie blieben bis 1820 quasi als Besatzungsmacht. Danach zeigte sich, dass die Abhängigkeit von den Textillieferanten von England der entscheidende Punkt war, warum in Portugal die Manufakturen und die Industrialisierung insgesamt, die ja mit der Mechanisierung der Webstühle begann, zu langsam und zu schwach vorankam. 1890 durchkreuzte England mit seinen Kolonialisierungsplänen in Afrika (von Kairo zum Kap) die Pläne von Portugal (von Angola nach Moçambique). Die Kolonialpolitik Portugals war jedoch auch sonst nicht besonders geschickt. Nur vordergründig erscheint es sinnvoll, Rohstoffe aus den Kolonien zu "beziehen", eigentlich: zu erbeuten, diese im Mutterland zu verarbeiten und den Kolonien wieder aufzunötigen. Auf diese Weise muss man sich der Konkurrenz auf dem Weltmarkt nicht stellen, was Niveauzerfall nach sich zieht .

                                                                                                                   

Salazar hat enge Verbindungen mit England gehalten. Sein "Neuer Staat", der auch mit dem alten wirtschaftlichen Schlendrian brechen musste, war von Kapitalzufuhr abhängig. So erlaubte es Salazar auch ausgewählten englischen Kapitalgebern, sich Ferienpaläste an die schönsten Ecken der Süd- und Westküste zu bauen. Diese Abgeschlossenheit der Kreise kam seinen faschistischen Vorstellungen nur zugute, soziale Unruhen oder kulturelle Infiltrationen hatte er auf diese Weise nicht zu fürchten. Auch nach Salazar konnten sich wohlhabende britische Schichten auf der von Salazar eingeräumten Grundlage weiterhin wohlfühlen, genossen gewissermaßen Exklusivrechte, was private Ferienanlagen und gewerbliche Tourismusinvestitionen anbelangt. Davon zeugen luxuriöse Villen in absoluten Spitzenlagen, ganze Ferienanlagen, die von Briten hauptsächlich für Briten geführt werden („Four Seasons Fairway“ etc.) und auch die perfekten Golfanlagen, von britischen Meistergolfern der ursprünglichen Landschaft aufgedrückt. Wer nur gerade mal 20.000 Pfund investieren kann, kann sich immerhin für einige Wochen im Jahr auf Dauer in ein "time sharing project" einkaufen.

 

Nach der Revolution 1974 - 1976 blieb der "altenglische" Einfluss im Algarve erhalten. Danach hat aber auch der weitere wirtschaftliche Zerfall Portugals (Kolonialkriege, eine Million Heimkehrer, retournados, die Ölkrise u.a.) einerseits und die auf breiterer Basis erfolgte "Demokra­ti­sie­rung" des Lebensgenusses einer europäischen sozialen Mittelschicht eher noch zu einer Verstärkung des britischen Einflusses geführt. Mit der Öffnung des neuen und erweiterten Charter-Flughafens Faro 1989 gelang es auch britischem Jungvolk, ganzen Familien und Vereinen oder Frührentnern, britisch vorgefärbtes Ferienland für einige Wochen des Jahres mit Pauschalarrangement zu besetzen. Im Algarve sorgt nun offensichtlich ein ordinärer Populär-Kapitalismus für eine Internationalisierung auf oftmals beschämendem Niveau.